Reparatur elektrostatischer Hochtonlautsprecher

Jeder, der regelmäßig mit Röhrenradios zu tun hat, kennt das Problem:

Schätzungsweise die Hälfte aller Mittelklasseradios der 50er-Jahre ist mit elektrostatischen Hochtönern ausgerüstet, die in 95% der Fälle den Dienst quittiert haben.

Im Gegensatz zu Kristallhochtönern lassen diese sich jedoch mit ein wenig Fingerspitzengefühl und Geduld in den meisten Fällen wieder reparieren.

 

Während elektromagnetische Hochtöner, wie man sie eigentlich nur in hochwertigen Geräten vorfindet, über einen Ausgangsübertrager mit einer geringen Spannung angesteuert werden und wie auch die Hauptlautsprecher auf dem Prinzip der Lorentz-Kraft beruhen, liegen die Elektrostaten (im Folgenden nur noch mit ESHT abgekürzt) direkt an der Anodenspannung und arbeiten damit meist im Bereich von 250 - 300 Volt.

Bei ihnen wird die Auslenkung der Membran über die Abstoßung, bzw. Anziehung zweier Spannungsführender Materialien herbeigeführt. Es gibt dabei einen "Stator", in aller Regel ein Metallgitter oder -sieb, sowie eine auf diesen aufgelegte und mit Metall bedampfte Folie, die gleichzeitig die Membran ist.

Legt man nun die Sprechwechselspannung an die beiden Teile an, so vibriert die Folie im Takt der Musik.

... und ja, genau so, wie es sich liest, klingt es auch. Man darf von dieser günstigen Bauform nicht viel erwarten. Die Lautsprecher sind auch im einwandfreien Zustand sehr leistungsschwach, verzerren früh und haben eine sehr ausgeprägte Richtwirkung, aber sie sind nun mal original und als Unterstützung des Raumklangs schaden sie keineswegs. In aller Regel findet man sie als Seitenlautsprecher vor, es gibt aber auch Geräte, bei denen ein einzelner Hochtöner in der Schallwand sitzt.

 

Die Bauformen sind vielfältig, das Prinzip ist jedoch immer das Gleiche. Ich werde meine Vorgehensweise hier nur exemplarisch an einem sehr populären Typ dieser Lautsprecher erläutern, der sich in vielen Geräten findet und von zahlreichen Herstellern verbaut wurde.

Die Bilder entstanden im Zuge der Restaurierung meines TFK Gavotte 7, das neben dem großen Hauptlautsprecher mit zweien solcher ESHT bestückt ist, die wie üblich defekt waren.

Die beiden Seitenlautsprecher im schwarzen Bakelitgehäuse
Die beiden Seitenlautsprecher im schwarzen Bakelitgehäuse

In den allermeisten Fällen sind die Gehäuse einfach mit Schrenklaschen verschlossen, so auch bei diesem Modell. Hier waren sie aus einem kupferfarbenem Metall, das zwar kein Kupfer gewesen sein dürfte, sich aber dennoch sehr leicht umbiegen ließ. Ich nehme an, eine solche Aktion würden die Laschen sogar noch mehrfach überstehen.

Danach lässt sich das vordere Lochblech vom Bakelitgehäuse trennen.

Zum Vorschein kommt ein feineres Lochblech aus dem gleichen Material, das in diesem Falle der Stator ist und die Folie, sowie ein mit Stoff bespannter Metallrahmen, der die Folie an Ort und Stelle hält und kontaktiert.

Abgenommenes Frontgitter. Zum Vorschein kommt der Spannrahmen
Abgenommenes Frontgitter. Zum Vorschein kommt der Spannrahmen
Stator und Membran
Stator und Membran

Wie man sieht, ist der Aufbau sehr simpel. Die Fehlermöglichkeiten beschränken sich im Wesentlichen auf drei Punkte:

 

1.) Die Kontakte an den Lötösen, dem Stator oder dem Spannrahmen sind faul oder es ist ein Kabel gebrochen. Tatsächlich ist das bei diesen  Lautsprechern kein seltener Fall und sollte als erstes kontrolliert werden.

 

2.) Die Folie ist oxidiert und bekommt keinen oder nur noch sporadischen Kontakt.

 

3.) Die Folie ist durchgeschlagen.

 

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um den zweiten oder dritten Fall, den zweiten findet man eigentlich unter Garantie vor.

Bei diesem speziellen Lautsprechersatz gab es sogar beides.

Wie man auf dem Foto schön sieht, ist die Folie nicht mehr gleichmäßig gülden, sondern weist Verfärbungen wie an altem Silberbesteck auf.

Das gleiche gilt für die Kontaktzungen im Spannrahmen, die aus der gleichen Folie gefertigt sind und die Folie nur mittels Andruck kontaktieren.

In vielen Foren wird pauschal empfohlen, die alte Folie durch ein Stück Rettungsdecke zu ersetzen, die ebenfalls einseitig metallisiert und elektrisch leitend ist. Vielfach habe ich bei diesem Vorgehen schon von guten Erfahrungen gehört, es bisher aber noch nie selbst ausprobieren müssen. Ich konnte meine Folien bisher immer restaurieren.

 

Nun ist es so, daß diese Folie relativ empfindlich ist. Reibt man mit dem Fingernagel darüber, so löst sich die Beschichtung. Freipinseln mit dem Glasfaserpinsel ist also keine Möglichkeit.

Unter Sammlern kursierte gelgentlich die Idee, die Kontaktstellen mit Leitsilber wieder aufzufrischen und was soll ich sagen - es funktioniert ganz hervorragend.

Mit einem Zahnstocher verteilt man hauchdünn (!) eine winzige Menge Leitsilber auf den Kontaktzungen und den Kontaktstellen auf der Folie und kann damit die Stellen wieder so leitfähig machen, dass die Folie genug "Saft" bekommt.

Wichtig ist hierbei, auf keinen Fall zu viel zu nehmen. Sonst trägt das Leitsilber auf und die Folie stellt beim Trocknen die Ohren auf und man kann den Fleck nachher abziehen wie alten Nagellack; die Folie ist ruiniert.

Mit Leitsilber behandelte Zungen und Kontaktstellen
Mit Leitsilber behandelte Zungen und Kontaktstellen

Auf diesem Bild ist auch noch eine andere unvermeidliche Maßnahme bei der Aufarbeitung dieser alten Lautsprecher zu sehen:

Vergleicht man die Abbildung mit den Fotos weiter oben, so kann man sehen, daß ich die alten und zerbröselten Schaumstoffleisten auf der Innenseite der Frontplatte gegen schmale Filzleisten ausgetauscht habe.

Sie drücken im eingebauten Zustand den Spannrahmen und damit die Folie gegen den Stator und sorgen so erst für einen annehmbaren Kontakt und die nötige mechanische Vorspannung.

Ich hatte mich gezielt für Filz entschieden, da er keiner Alterung unterworfen ist und in diesen alten Geräten ein zeitgenössisches Mittel darstellt.

Der alte Schaumstoff lässt sich einfach rückstandsfrei herauspinseln und die Filztstücke sind hervorragend mit gewöhnlichem Weißleim auf dem alten Kleberbett zu fixieren.

So die Folie nicht durchgeschlagen ist, kann nach dem Trocknen des Leitsilbers alles wieder zusammengebaut werden. Natürlich ist auf die richtige Orientierung der Folie zu achten - die isolierte Seite zum Stator, die metallische zum Spannrahmen.

 

Sollte die hauchdünne Membran nach all den Jahren der Anodenspannung nicht widerstanden haben, so erkennt man dies an kleinen Löchern in der Folie. Hier muss man genau hinsehen und am besten einmal die Reflexion einer Taschenlampe oder ähnlichem über die Folie wandern lassen.

Auch hier kann man die Folie natürlich komplett durch ein Stück Rettungsdecke ersetzen. Ich habe mir in der Vergangenheit immer (und hier bitte ich die Puristen, einmal kurz wegzuhören) mit einem Schnipsel Klebeband beholfen. Ich nenne hier keinen Produktnamen, aber jeder kann sich denken, daß ich mich des Marktführers bediente, der sich auf jedem Schreibtisch dieser Welt findet.

Bisher hatte ich damit noch nie Probleme, man muss ihn nur gut andrücken und sollte so sparsam wie möglich damit umgehen, da er sonst die Schwingungsfähigkeit der Membran behindert.

 

Pro Lautsprecher kommt man so noch nicht einmal auf eine halbe Stunde Arbeitszeit und bekommt ein Gerät, das auch seitlich wieder etwas von sich gibt. Auch wenn man auch gut ohne auskäme, kann ich eine Restauration nicht als abgeschlossen betrachten, solange nicht wieder alles funktioniert, was auch eingebaut ist.

Die zwei überholten Lautsprecher, wieder fertig zum Einbau
Die zwei überholten Lautsprecher, wieder fertig zum Einbau