Wega Concept 51 K

Steckbrief

Modell: Concept 51 K

Baujahr: 1978

Anlieferung: 11.2022

Fertigstellung: 09.06.2023

Gehäuse: Aluminiumguß / Kunststoff

Gewicht: 25 kg

Link zu rm.org: Wega Concept 51 K

 

Reparaturbericht

Dieses Gerät gehört einem Bekannten von mir, für den ich zuvor auch schon das Becker Mexico TG und das Autotonbandgerät von Blaupunkt überholt hatte. Es diente ihm als Einrichtungsgegenstand und Stereoanlage in seinem Ferienhaus in Frankreich und hatte einige kleinere Defekte, die teilweise auch erst während der Arbeiten auffielen.

 

Die erste Schwierigkeit bestand darin, diese äußerst sperrige und schwere Anlage auf meine Werkbank zu bekommen. Hierzu kam ich nicht umhin, meine Prokrastination hinsichtlich des Aufräumens zu unterbrechen.

Öffnen lässt sich das Gerät recht komfortabel über einige Schrauben auf der Unterseite, wobei ein Teil davon die einzelnen Baugruppen an Ort und stelle halten. Hier ist Vorsicht geboten, nicht die falschen zu lösen.

Die funktionellen Einheiten sind recht klar voneinander getrennt und nicht annähernd so schlecht zugänglich, wie ich befürchtet hatte. Obwohl in dem Gerät jeder Kubikzentimeter ausgenutzt ist, können die einzelnen Geräteträger nach Lösen weniger Schrauben einfach nach oben weggeklappt werden.

Die modulare Bauweise macht Arbeiten an diesem kompakten Gerät überhaupt erst möglich.
Die modulare Bauweise macht Arbeiten an diesem kompakten Gerät überhaupt erst möglich.

Ursprünglich sollte ich mich des Gerätes wegen eines ausgefallenen Kanals annehmen, von dem ich im Probelauf jedoch nichts merkte, was bei Kontaktkorrosion oder kalten Löststellen nichts besonderes ist.

Unter der Verkleidung erwarteten mich neben falschherum eingebauten Bedienknöpfen jedoch auch zwei Platinen, von denen die Stecker abgezogen waren und lose im Gerät lagen. Es handelte sich hierbei um die Aussteuerungsanzeige des Kassettenteils und die AFC-Anzeige des Radios.

 

Was viel schwerer wog, war ein Umstand, der sich mir erst bei einer eingehenderen Funktionsprüfung offenbarte: Das Radio ließ sich zwar über die Schnellwahltasten, nicht aber über das große Senderwahlrad abstimmen. Die Fehlersuche führte mich ein wenig tiefer in die Innereien des Apparates: Die UKW-Abstimmung erfolgt hier schon über Potis, die auf eine Kapazitätsdiode wirken. Ich ging zunächst von einem defekten Poti aus, da dieses bei einem Widerstandswert festhing. Um meine Vermutung zu verifizieren musste ich allerdings den AM-Drehko ausbauen, auf dessen Achse das Poti aufgeflanscht ist. Hierzu hielt ich den Seilzug mit einem Stück Blumendraht auf Spannung, was mich später zum Glück vor dem Neuauflegen des Seiles bewahrte.

"Die schönsten Torpedos in den Rohren,  das Stück für 25.000 Mark!  Aber kein Stück Draht.  Alles was wir brauchen, ist für 50 Pfennig alter Draht!" ~ aus "Das Boot"
"Die schönsten Torpedos in den Rohren, das Stück für 25.000 Mark! Aber kein Stück Draht. Alles was wir brauchen, ist für 50 Pfennig alter Draht!" ~ aus "Das Boot"

Als der Drehko samt Poti ausgelötet war, offenbarte sich des Pudels Kern: Das Zahnrad auf der Achse des Seilrades war geschrumpft und geplatzt, die Achse drehte durch. Das Poti war also in Ordnung, nur wurde es nicht mehr angetrieben. Probehalber lötete ich schnell ein anderes Poti ein und das Gerät ließ sich mit dem Finger problemlos abstimmen.

Der Drehko mit angeflanschtem Poti
Der Drehko mit angeflanschtem Poti
Die ausgebaute Achse mit dem defekten Zahnrad
Die ausgebaute Achse mit dem defekten Zahnrad

Die Maße der Achse...
Die Maße der Achse...
...und des defekten Zahnrades. 17 Zähne sind korrekt.
...und des defekten Zahnrades. 17 Zähne sind korrekt.

Nun war guter Rat teuer. Das Rad war für die Tonne und die Maße äußerst exzentrisch... Selbst wenn ein originales Rad oder ein ganzer Drehko zu beschaffen gewesen wäre, wäre der Kunststoff vermutlich genauso fertig gewesen.

Die Lösung des Problems lieferte jemand aus dem DRF: Bei einem polnischen Hersteller für RC-Bedarf ließ ich ein Rad nachfertigen, das mich nach drei Wochen erreichte und nach Aufbohren der Achse um 0,5 mm tatsächlich passte! Ich hatte auch eines aus Messing mitbestellt, allerdings platzte mir dieses leider beim Aufschrumpfen auf die Achse. Das wäre natürlich eine noch schönere Lösung gewesen, aber so geht es auch. Es sollte jetzt wieder 20 Jahre halten.

 

Nachdem alles wieder zusammengebaut war und funktionierte, suchte mich unmittelbar das nächste Problem heim: Die Frequenzanzeige ließ mich wissen, daß ich gerade einen Sender auf 189,3 MHz empfing. Man mag mich übermütig schelten, aber das erschien mir nur bedingt plausibel.

So kam ich nicht umhin, mich nun auch noch in die Mikroelektronik der Anzeige hineinzufressen, nachdem die üblichen Methoden mit Kältespray und ähnlichem versagt hatten. Als ich auch hier nicht weiterkam, konsultierte ich erneut das DRF (Link zum Thread) und diskutierte dieses Problem in 17 Beiträgen mit ein paar bekannten Kapazitäten auf dem Gebiet aus. Kurzum: Das Problem ist bekannt und es sterben einfach die Chips. In meinem Falle war der SAA1058 im Eimer. Kein Wunder, so heiß, wie sie in dieser Schaltung gefahren werden.

 

An diesem Punkt teilte ich dem Besitzer des Gerätes mit, daß der Zug vermutlich abgefahren war. Zwar gab es NOS-Chips, aber die waren ja genauso alt und für 20€ das Stück fragte ich mich, ob sie überhaupt das Umlöten überlebt hätten.

Wenige Tage später erlebte ich eine Überraschung, als er mich davon in Kenntnis setzte, daß er einen kompletten Anzeigebaustein für das Gerät zu einem moderaten Preis aufgetrieben hatte. Damit hätte ich nicht gerechnet. Wenige Tage später lag das Päckchen bei mir vor der Tür und ich brauchte die Einheit nur einstöpseln und sie lief. Natürlich ist sie auch 50 Jahre alt, aber es war mit Abstand die beste Lösung.

Defekte Anzeigeeinheit. Der tote Chip verbirgt sich unter dem Kühlkörper.
Defekte Anzeigeeinheit. Der tote Chip verbirgt sich unter dem Kühlkörper.
Das "Neuteil" im Betrieb. Leider etwas unscharf.
Das "Neuteil" im Betrieb. Leider etwas unscharf.

Gegen die erwähnten Wackelkontakte in dem einen Kanal lötete ich die gesamte Endstufenplatine nach, was eine ziemliche Sisyphosarbeit war, die sich aber auszahlte. Hier arbeiten schon große Endstufen-ICs der frühesten Generation. Zum Glück war davon keiner defekt.

 

So ging ich mit dem Gerät in einen ziemlich ausgiebigen Probelauf. Nach etwa zehn Stunden - ich wollte die Anlage nach diesem letzten Abend abbauen - blieb plötzlich einfach so der Ton weg. Ich vermutete zunächst ein Kontaktproblem, konnte aber keines finden.

Auf die richtige Fährte brachte mich ein erneuter Einschaltversuch nach wenigen Minuten: Die Anlage spielte kurz und verstummte nach einer Minute wieder. Also ein thermisches Problem.

 

Am nächsten Tag prüfte ich in Ruhe die Betriebsspannungen und es fehlten die -20 V. Zum Glück hatte ich direkt auf´s richtige Pferd gesetzt und den 7920 als Übeltäter ausfindig gemacht.

Jetzt werden viele denken: 7920? Gab es den überhaupt? Das war auch meine erste Reaktion. Ich habe so ziemlich alle erdenklichen Festpannungsregler am Lager, aber von diesem hatte ich noch nicht einmal gehört. Das Datenblatt der 79XXer Reihe belehrte mich eines Besseren - das Ding gab es serienmäßig.

 

Da die Zeit drängte, fragte ich einen Bekannten mit einem über 40 Jahre gepflegten Ersatzteillager. Seine Reaktion: "7920? Gab es den überhaupt?" ...soviel also dazu. Unnötig zu erwähnen, daß auch mein lokaler Elektronikhändler, der sonst auch die abgefahrensten Sachen da hat, das Teil nicht kannte.

 

In Anbetracht dieser Umstände baute ich kurzerhand einen 7918 ein. Wie ich gehofft hatte, arbeitete die Schaltung auch damit anstandslos. Ansonsten hätte ich den Masseanschluss des Reglers mit einer Leuchtdiode um 2,2 V hochgelegt. Das ist kein eleganter, aber ein sehr funktionaler Trick, um Spannungsregler im Notfall zu ein wenig zu strecken.

Um auch hier in Zukunft eine Überhitzung zu vermeiden (die Spannungsregler laufen alle extrem heiß und dieser war der einzige ohne Kühlkörper), ersetzte ich die 0,5 A-Version durch einen 1 A-Regler und verpasste ihm auch einen Kühlkörper. Platz ist zum Glück genug.

Die Reglerplatine. Der Kühlkörper in der Mitte gehört zu dem neuen 7918.
Die Reglerplatine. Der Kühlkörper in der Mitte gehört zu dem neuen 7918.

So testete ich noch mal von vorne und diesmal ging alles gut. Ich konnte das Gerät wieder zuschrauben und an den Besitzer übergeben, der es wieder mit nach Frankreich nahm.

 

Zwei Tage nach Ankunft erreichte mich eine Nachricht, wonach das Kassettenteil spinne. Ich hätte im Dreieck springen können. Das war so ziemlich die einzige Baugruppe, an der ich nicht dran war.

Ich legte mich erst mal eine Nacht schlafen und wie so oft beschlich mich die zündende Idee irgendwann gegen drei Uhr am Morgen. Ein Telefonat am nächsten Tag konnte das Szenario aufklären: Der Fehler war so klassisch, wie er nur sein konnte. Wie immer war der große Rec/Play-Umschalter leicht korrodiert und ließ das Signal nur sporadisch oder mit Artefakten überlagert hindurch.

Mein Rat, diese 36 Kontakte durch "Klavierspielen" zu kurieren brachte Linderung. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

 

Nun, was soll ich sagen. Aufgrund dieser ganzen lästigen und zähen Aktionen kann ich nicht behaupten, daß es eine schöne Arbeit war, aber auf alles Fälle war das Ergebnis zufriedenstellend. Hoffen wir einfach, daß das Gerät noch lange seinen Dienst verrichtet. Das etwas exzentrische Design möge am besten jeder selbst beurteilen:

Das fertig montierte Designexperiment der 70er
Das fertig montierte Designexperiment der 70er
Den Plattenspieler finde ich noch ganz geschmackvoll
Den Plattenspieler finde ich noch ganz geschmackvoll
Das Bedienfeld mit nun wieder aktiver AFC- und Aussteuerungsanzeige und intakter Frequenzanzeige (hier so ungleichmäßig, weil die Belichtungszeit für das Gemultiplexe zu kurz ist)
Das Bedienfeld mit nun wieder aktiver AFC- und Aussteuerungsanzeige und intakter Frequenzanzeige (hier so ungleichmäßig, weil die Belichtungszeit für das Gemultiplexe zu kurz ist)