Becker Mexico TG

Steckbrief

Modell: Becker Mexico TG (mit 4W-Endstufe)

Baujahr: 1959-1964

Röhren: ECC85, ECH81, EF89, EBF89, ECF83, ECC82, EAA91

Halbleiter: 2x GFT3008/40, TF80/30, 2x OA79 (bei 7W-Endstufe 3x TF80/30 und keine GFT3008/40)

Kreise: 7 AM, 11 FM

Damaliger Preis: 625 DM

Arbeitsbeginn: 08.08.21

Fertigstellung: 04.12.21

Bänder: MW, UKW

Gehäuse: Blech

Antennen: keine

Abstimmung: AM: induktiv

                           FM: induktiv

Klangregister: Tonblende

Sonstiges: kompatibel mit KW-Adapter "Reims U."

Link zu rm.org: https://www.radiomuseum.org/r/becker_mexico_tg.html

Reparaturbericht

"Verrate niemals einem Oldtimerbesitzer, daß Du alte Radios reparierst." - Diese Lektion lernt man auf dem harten Weg...

Die Reparatur dieses Gerätes war ein extrem aufwendiges, aber dafür auch interessantes und lehrreiches Projekt und es handelt sich um ein Stück Technik, das man nicht alle Tage auf den Tisch bekommt.

Aus dem Kreise der Mercedes-Heckflossenbesitzer erreichte mich aus dem gleichen Stall wie das Autotonbandgerät dieses Hybridradio mit Suchlauf.

Tatsächlich sind in diesem Trümmer ein paar Ideen verwirklicht, die es so nur kurze Zeit gab, als kreative Lösungen für Probleme an der Schwelle von Röhren- und Halbleitertechnik verstanden werden können und dem Anspruch der Miniaturisierung in Autoradios Rechnung tragen.

Die Fehlerbeschreibung lautete dahingehend, daß das Gerät irgendwann einfach zu Spielen aufgehört hätte.

Ein Blick ins Innere offenbarte auch schnell warum: Bis auf ein paar Lötpunkte war alles noch im Originalzustand, auch die Kondensatoren...

Wenn ich ehrlich sein soll, dann flößte der Suchlauf mir etwas Respekt ein, denn bisher hatte ich noch nie an Suchlaufgeräten gearbeitet, geschweige denn an einem so frühen als Autoradio.

 

Aber eins nach dem anderen: Bevor ich mir um solche Extravaganzen Gedanken machen konnte, galt es zunächst das Radio zum Spielen zu bringen. Dazu machte ich erst einmal Kahlschlag bei den Kondensatoren, was mich auch binnen zweier Tage mit einem spielenden Radio belohnte. Was nun der ursprüngliche Fehler war, kann ich nicht mehr nachvollziehen, aber der Klassiker dürfte der Koppelkondensator zwischen den Systemen der Endröhre gewesen sein (dazu später mehr).

 

Für ein Autoradio war ich von der Empfindlichkeit und Trennschärfe des Gerätes beeindruckt, als ich es einem kurzen Probelauf unterzog. Auffällig war hingegen, wie schnell sich die Enstufentransistoren erwärmten. An einem Drahtpotentiometer in der Nähe war außerdem schon der Sicherungslack aufgebrochen. Ein Blick in den Schaltplan bestätigte meinen Verdacht, daß ebenjenes der Ruhestromeinstellung dient und völlig verkurbelt war. Was mein "Vorgänger" damit bezweckte, lässt sich wohl kaum noch nachvollziehen, jedenfalls flossen statt den empfohlenen 50 mA mal eben 143 mA und so war es kein Wunder, daß man auf den Endstufentransistoren nach ein paar Minuten Spiegeleier hätte braten können. Eine Korrektur der Einstellung ließ die Gemüter wieder abkühlen.

 

Vom Netzteil gibt es zwei Varianten, eine mit 4 W und eine mit 7 W Ausgangsleistung. Ob es sich hierbei um verschiedene Ausstattungsvarianten oder unterschiede im Produktionsdatum handelt, kann ich nicht sagen,  aber jedenfalls unterscheiden sich die Netzteile in der Schaltung und der Halbleiterbestückung (s. Steckbrief).

Das externe Kästchen, das Stromversorgung und Endstufe beinhaltet. Hier kommt schon ein elektronischer Zerhacker zum Einsatz und die Endstufe ist volltransistorisiert
Das externe Kästchen, das Stromversorgung und Endstufe beinhaltet. Hier kommt schon ein elektronischer Zerhacker zum Einsatz und die Endstufe ist volltransistorisiert
Seitenansicht mit Buchse für den Verbindungsstecker zum Radio, dem Lautsprecheranschluss und ganz rechts dem Anschluss für die elektrisch ausfahrbare Antenne, die im Gerät über ein Relais gesteuert wird
Seitenansicht mit Buchse für den Verbindungsstecker zum Radio, dem Lautsprecheranschluss und ganz rechts dem Anschluss für die elektrisch ausfahrbare Antenne, die im Gerät über ein Relais gesteuert wird
Innenleben von der Unterseite mit bereits getauschten Elkos. Die rote Scheibe in der Mitte ist die Bordspannungsumschaltung, oder zumindest ein Teil davon.
Innenleben von der Unterseite mit bereits getauschten Elkos. Die rote Scheibe in der Mitte ist die Bordspannungsumschaltung, oder zumindest ein Teil davon.

Das Netzteil und die Transistorendstufe erwiesen sich als völlig unkritisch, sobald sie mit neuen Elkos versehen waren. Beeindruckt war ich davon, wie exakt die Ausgangsspannungen eingehalten wurden und wie dezent der elektronische Zerhacker im Vergleich zu seinen elektromechanischen Vorgängern brummte.

Im Testbetrieb des Radios auf der Werkbank musste ich feststellen, daß der Empfang gelegentlich aussetzte und das gesamte Gerät extrem erschütterungsempfindlich war. Bei dem Alter und der mechanischen Belastung auf jahrzehntelangen Autofahrten vermutete ich zunächst eine Kaltlötstelle oder oxidierte Kontakte der Schalter oder Röhrenfassungen, doch die Fehlersuche beim Abklopfen und Wackeln an Leitungen führte mich an einen anderen Punkt. An dieser Stelle ein kleines Suchbild:

...und seine Auflösung:

Schon öfter hatte ich von Sammlerkollegen von jahrzehntealten und bis heute unentdeckten Fabrikationsfehlern und inkorrekten Schaltplänen gehört, aber hier bekam ich so etwas das erste Mal selbst zu sehen.

Die Lötöse des Ratiofilters hatte noch niemals Lötzinn gesehen, das Beinchen des Widerstandes war nur hindurchgesteckt. Offenbar hatte man im Werk versäumt, den Lötpunkt zu setzen und auch bei der Qualitätskontrolle scheint es nicht aufgefallen zu sein. Jedenfalls war dieser Verdrahtungsfehler an einer so pikanten Stelle, daß er den gesamten UKW-Empfang unterbindet, wenn er zum Tragen kommt, was bei Schlaglöchern durchaus der Fall gewesen sein dürfte. Vielleicht galten die früher an dem Radio getätigten Arbeiten der Beseitigung dieser Symptome...

Nach einem kurzen Einsatz des Glasfaserpinsels ließ sich alles problemlos verlöten und die Sache war aus der Welt.

Es ist übrigens zu beachten, daß die auf dem Bild prominente Buchse für das externe KW-Teil oder eine externe Fernbedienung in Form einer Novalfassung in der Zählweise der Pins genau andersherum behandelt werden muss, als das normalerweise bei Novalfassungen der Fall ist.

Die Zählung erfolgt an dieser Buchse von der Oberseite im Uhrzeigersinn und nicht von der Unterseite. Dies ist zwar bei genauerem Hinsehen im Schaltbild auch verzeichnet, allerdings kostete es mich einige Nerven, bis ich auf diese Idee kam, nachdem man sich ansonsten eigentlich immer darauf verlassen kann, daß von der Unterseite gezählt wird. Zwischenzeitlich dachte ich sogar schon, ich hätte einen falschen Schaltplan in der Hand... wer lesen kann ist klar im Vorteil!

 

Nun war also der UKW-Empfang soweit wieder hergestellt. Zeit für den Suchlauf.

Tatsächlich war dies mein erstes Gerät mit Sendersuchlauf. Natürlich musste es sich dabei direkt um ein Autoradio handeln.

Das Studium einiger Schaltpläne hatte mich geraume Zeit zuvor über die ungefähre Funktionsweise von Suchlaufautomatiken von Geräten der Bodensee-Serie und ähnlichen ins Bilde gesetzt, doch hier hatte ich es mit einer gänzlich anderen Schaltung zu tun.

 

Beim "klassischen" Suchlauf, wie man ihn aus Wohnzimmergeräten kennt, sitzt ein Motor auf der Welle des Senderwahlknopfes und stimmt die Sender auf Maximum ab, d.h. er "wackelt" minimal um den Punkt des stärksten Signals, bis man ihm per Knopfdruck befielt, bis zum nächsten Maximum zu fahren und damit einen weiteren Sender anzusteuern. Dieses "Wackeln" macht sich am Wahlknopf auch als dezentes Vibrieren bemerkbar.

 

Dieses Verfahren ist für ein Autoradio allerdings weniger geeignet, da es zu aufwändig, zu schwer, zu raumgreifend, nicht robust genug und viel zu stromhungrig ist (ein Bodensee braucht nicht ohne Grund knappe 100 W).

 

Im vorliegenden Fall ging man daher einen anderen Weg: An den Endpunkten der Skala wird über einen Elektromagnet (die Messingwippe betätigt den Schalter, der im Bild mittig rechts zu sehen ist) ein Uhrwerk aufgezogen, das den Skalenzeiger und die gesamte Abstimmmechanik zur anderen Skalenseite zieht. Wird dabei ein starker Sender durchlaufen, fällt ein Relais ab, das einen Haken in das Flügelrad, das als Fliehkraftregler dient, einrückt und der Suchlauf hält an.

Dabei wird allerdings nicht die stärkste Stelle des Senders angewählt, sondern der Suchlauf hält schon, sobald das Signal stark genug für die Auslösung ist. Dass einen Millimeter daneben noch besserer Empfang möglich wäre, wird dabei gegebenenfalls vernachlässigt. Bei starken Sendern, bei denen der Suchlauf schon früh auslöst, muss also ggf. von Hand auf Maximum abgestimmt werden - der Suchlauf steuert die Station also nur grob an.

 

Unnötig zu erwähnen, daß dieser Teil des Radios im vorliegenden Fall natürlich nicht funktionierte...

Der Suchlauf von oben. Schön zu sehen sind die Ferritkerne, die alle zeitgleich eingeschoben werden und das Radio abstimmen
Der Suchlauf von oben. Schön zu sehen sind die Ferritkerne, die alle zeitgleich eingeschoben werden und das Radio abstimmen
Die Suchlaufmechanik von der Seite mit dem Halterelais, das auf das Flügelrad wirkt
Die Suchlaufmechanik von der Seite mit dem Halterelais, das auf das Flügelrad wirkt
Andere Seite mit den Königswellen und dem starken Elektromagnet zum Aufziehen der Mechanik. Der Schalter über der Spule dient der AM/FM-Umschaltung
Andere Seite mit den Königswellen und dem starken Elektromagnet zum Aufziehen der Mechanik. Der Schalter über der Spule dient der AM/FM-Umschaltung

Hier zuerst ein Schaltplanausschnitt des Becker-Suchlaufs zur erleichterten Erklärung:

Quelle: radiomuseum.org
Quelle: radiomuseum.org

Ich muss zugeben, daß mich diese Schaltung forderte, da sie sich in einigen Punkten grundlegend von dem unterscheidet, was man in Verbindung mit Röhrentechnik sonst gewohnt ist.

Das Signal für den Suchlauf wird primärseitig aus dem Ratiofilter entnommen (Anschluß 3 am Ratiodetektor), das hier sogar schon mit Germaniumdioden arbeitet (2 x OA79 im Filterbecher).

Von dort aus geht es dann kapazitiv gekoppelt zum Suchlauffilter, wo das Signal an Anschluß 5 wieder eingespeist wird.

Eine Detektion erfolgt dann über das linke System der EAA91, deren Kathode bei einem starken Signal positiver wird. Die Kathodenspannung dieses Systems ist wiederum gleich der Gitterspannung am ersten System der EC(C)82, deren Kathode auf 5,5 V vorgespannt ist.

Je stärker also das empfangene Sendersignal, desto weniger negativ wird das Gitter der EC(C)82 gegenüber der Kathode und die Röhre beginnt umso mehr zu leiten. Soweit, so gut.

 

Jetzt kommt ein Kniff: An sich kennt man zumindest aus Audioschaltungen die Kopplung zweier NF-Röhren über einen Koppelkondensator (üblicherweise 0,1 µF, bekannt als Endröhrenkiller). Dies ist hier nicht so.

Wie im Schaltbild schön zu sehen, sind die Anode des ersten Triodensystems der EC(C)82 und das Gitter der nächsten Stufe, in der das zweite System der E(C)C82 arbeitet einfach unmittelbar gleichspannungsmäßig verbunden. Die Anodenspannung des ersten Systems ist somit also gleich der Gitterspannung des zweiten Systems. Unter "normalen" Umständen würde das zweite System somit in die Sättigung getrieben und die Röhre überlastet, da das Gitter gegenüber der Kathode positiv wäre.

 

Hier verhält es sich allerdings anders.

Über R137 ist die Kathode des zweiten Systems gegenüber der des ersten Systems "hochgelegt" und arbeitet bei einer Kathodenspannung von 17,8 V.

Über R138, den man auch als Gitterableitwiderstand betiteln könnte, sieht die Kathode des zweiten Systems wiederum eine ihr gegenüber negative Gitterspannung, obwohl diese gegen Masse positiv ist.

Somit ist es möglich, die Röhre mit "gesunden" Paramtern zu betreiben und dennoch eine Gleichspannungsverstärkung vorzunehmen, die durch einen Koppelkondensator nicht möglich wäre. Das zweite Triodensystem ist dabei also quasi an allen Elektroden "hochgelegt" und dient als "Nachbrenner" zum Ansteuern des Relais.

 

Diese recht seltene Schaltungsvariante findet sich ansonsten eher in Vorkriegsgeräten und ist als "Loftin-White-Schaltung" bekannt. Weiterführendes dazu in diesem Artikel.

 

Fällt nun also ein starker Sender ein, so gibt der Ratiodetektor ein starkes Signal ab, das im Suchlauffilter nochmals gefiltert wird. Durch die Gleichrichtung an der Röhrendiode entsteht bei einem starken Sender eine positive Spannung, die die erste Triode durchsteuert, die wiederum die zweite Triode leitend macht, welche letzten Endes das Relais abfallen lässt, sodaß der Anker ins Flügelrad eingreift und dieses anhält.

 

Soweit jedenfalls die Theorie.

In der Praxis sah das alles ein wenig anders aus: Als ich die Suchlauftaste betätigte, passierte zunächst gar nichts, bis nach ein paar Sekunden magischer Rauch das Gerät verließ.

An dieser Stelle sei erwähnt, daß alte Elektrogeräte immer mit Rauch funktionieren, denn wenn der Rauch rauskommt, funktioniert das Gerät nicht mehr.

Da ich nicht davon ausging, daß in dem Radio gerade ein neuer Papst gewählt worden war, begab ich mich auf die Fehlersuche.

Die Rauchzeichen stammten von dem Schalter, der den Elektromagnet ansteuert. Wie üblich handelte es sich dabei um korrodierte Kontakte, die ich mit einem Lederläppchen und etwas Alkohol freischrubben konnte.

Beim nächsten Versuch zog der Elektromagnet die Mechanik also auf und sie begann wie gedacht abzulaufen, jedoch ohne bei einem der Sender, die von Hand gut und scharf abzustimmen waren, anzuhalten.

 

Zuerst fiel mir ins Auge, daß der Ausleger des Relais, der beim Abfallen desselben das Flügelrad blockieren und so den Suchlauf anhalten soll, so verbogen war, daß er gar nicht mehr in den Radius des Rades eingreifen konnte. Ich vermute, daß man auf diese Art einmal einen fehlerhaften Suchlauf stilllegen wollte, wobei der Suchlauf so beim Betätigen der Taste immer weiter durchläuft und einen Neustart des Radios erfordern würde.

Wie immer dem also auch gewesen sein mag, ich bog den Ausleger zurück, sodaß zumindest mechanisch wieder alles war, wie es sein sollte.

 

Die Suche nach dem Fehler, der den Suchlauf dazu veranlasste, nicht anzuhalten, nahm allerdings fast sechs Wochen in Anspruch. Ausganspunkt dessen war, daß ich aufgrund eines Missverständnisses vor der Reparatur dachte, der Suchlauf hätte bis zum Versagen des Radios einwandtfrei funktioniert, was nicht den Tatsachen entsprochen haben kann. Solche Fehlangaben können einen auf Irrwege führen und viele Stunden Lebenszeit kosten, dennoch kommen sie leider öfters vor, weil ehemalige Fehlversuche einer Reparatur vertuscht werden sollen oder sonstige Beweggründe vorlagen. In diesem Falle war es allerdings einfach nur ein Kommunikationsproblem.

 

Zuerst prüfte ich alle im Schaltplan eingetragenen Spannungen und stellte fest, daß sie zumindest soweit in der Toleranz lagen, wie man es bei einem Gerät dieses Alters erwarten darf und sie die Funktion nicht negativ hätten beeinflussen sollen.

Anschließend nahm ich mir sämtliche Bauteile vor. Obwohl es ein paar Kohlemassewiderstände gab, schien auch dort alles in Ordnung. Die Kondensatoren waren entweder unkritisch oder schon getauscht.

Auch ein Nachlöten und die mehrmalige Kontrolle aller Lötverbindungen zeigte keine Fehler oder Probleme.

Da ich nun langsam mit meinem Latein am Ende war, nahm ich mir P2 vor, in der Annahme, die Kathodenspannung der ECC82 hätte sich durch Verschleiß so sehr verändert, daß der Suchlauf nicht mehr auslöste. Zwar konnte ich das Relais damit zum Abfallen bringen, allerdings nur an dessen Anschlag und nicht abhängig von der empfangenen Signalstärke.

Obwohl die ECC82 noch gute Werte aufzeigte, kramte ich im Keller einige Ersatzröhren hervor und probierte es auch damit ohne Erfolg.

Um einen von mir übersehenen Defekt im Gleichspannungsverstärker ausschließen zu können, legte ich das Gitter der ersten EC(C)82-Triode auf Kathodenpotential und siehe da: Das Relais fiel ab.

Da ich wusste, daß am Ratiodetektor ein gutes Signal vorhanden sein müsste, da das Radio ja sauber empfing, konnte der Fehler also nur noch im Suchlauffilter oder rund um die EAA91 zu finden sein.

Rund um die Doppeldiode gab es leider keine Spannungswerte, sodaß ich keinen Anhaltspunkt für deren Arbeitspunkt hatte. Allerdings waren auch in ihrem Umfeld alle Bauteile in Ordnung und so blieb eigentlich nur noch das Suchlauffilter übrig.

 

Jetzt kommt das besagte Missverständnis ins Spiel: Wenn das Filter verkurbelt gewesen wäre, hätte der Suchlauf niemals funktionieren können. Wie sich herausstellte, war dann genau das das Problem, was die von mir abgespeicherte Angabe zum Suchlauf zu einer physikalischen Unmöglichkeit macht.

 

Zum Glück hatte ich einen Abgleichplan des Gerätes zur Hand (s. rm.org), wobei der Abgleich bis auf den Oszillator bei diesem Radio kein Hexenwerk ist.

Bevor ich das Suchlauffilter in Angriff nahm, das auch laut Plan das letzte ist, das abzugleichen ist, wollte ich einen Hauptabgleich durchführen, um keine alten Fehler zu verschleppen.

Das meiste stimmte auch noch ganz gut, zumindest für den FM-Bereich und es war alles erfreulich temperaturunempfindlich.

Als ich mit dem Suchlauffilter begann stellte ich allerdings fest, daß die Abgleichvorschrift entweder einen Fehler aufweist oder ich mich zu dämlich anstellte. An dem vorgeschriebenen Messpunkt war keinerlei Änderung beim Drehen der Kerne festzustellen.

Wieder verbrachte ich eine schlaflose Nacht.

 

Am nächsten Tag stellte ich das Radio einfach auf einen starken Sender, blockierte das Flügelrad mit einem Zahnstocher und drehte am Suchlaufkern. Und siehe da: Nach etwa drei Umdrehungen fiel das Relais ab.

Ich entfernte den Zahnstocher und drückte erneut die Suchlauftaste. Der Suchlauf hielt problemlos beim nächsten starken Sender an - Bingo!

Da dieser "Abgleich" nur eine sehr grobe Näherung darstellte, warf ich nochmals einen Blick in den Schaltplan.

Nach aller Logik müsste an der Anode der EA(A)91 ja ein Signal anstehen, wenn das Filter richtig justiert ist. Da ich das nicht mit einem Multimeter messen konnte, klemmte ich einfach das Oszilloskop auf Pin 7 der EAA91 und siehe da: Sobald ein Sender einfiel, war die Modulation hervorragend sichtbar. Um ein Bild zu erhalten, an dem ich die Amplitudenhöhe gut ablesen konnte, nutzte ich den Prüfsender mit der 400 Hz-Modulation, den ich bei 10,7 Mhz in den ZF-Verstärker einkoppelte.

Nun glich ich einfach auf Maximum ab und hatte einen hochsensiblen Suchlauf, der in der Schalterstellung "empfindlich" auch schwächste Stationen erkannte.

Ohne die Fehlannahme, daß der Suchlauf bis zuletzt funktioniert habe, hätte ich mir wohl einige Stunden des Suchens an der falschen Stelle sparen können und wäre früher auf diese Idee gekommen.

Nun, so dachte ich, wäre das schlimmste überstanden und das Gerät könnte nach ein paar kleineren Routinearbeiten wieder zurück zu seinem Besitzer, doch nein. Es schlossen sich weitere Wochen und eine vergleichbare Wallfahrt an Fehlersuche an.

 

Bei starken Sendern und höhenlastigen Musikpassagen, aber auch bei Interviews und anderer Sprache fiel auf, daß die Höhen extrem zischelten. Auch hier für die folgenden Erläuterungen wieder ein Schaltplanausschnitt der Vorverstärkerstufe:

NF-Vorverstärker mit ECF83
NF-Vorverstärker mit ECF83

Das NF-Signal kommt über den AM/FM-Umschalter und C36 aus dem ZF-Teil und durchläuft das hier etwas unübersichtlich gezeichnete Klangregelnetzwerk.

Über C41 wird es zur ersten Verstärkung auf das Gitter der E(C)F83 (der Regelspannungsanschluss wird hier nicht betrachtet) und von dort über die gängige Schaltung mit dem Koppelkondensator von 0,1 µF auf das Gitter der EC(F)83 gegeben, nach der es dann unverändert der externen Transistorendstufe zugeführt wird.

Die zwischen den Stufen eingekreisten Widerstände bilden den Spannungsteiler für die Rückkopplung, die zwischen ihnen angeschlossen ist.

 

Abgesehen von der ziemlich exotischen Röhre ist diese Schaltung also wirklich nichts besonderes. Auch die im Schaltplan eingetragenen Spannungen entsprechen voll den Erwartungen für diese Art von Audioverstärkerstufe. In frühen Hybridgeräten trifft man häufig eine Röhrenvorstufe und eine Transistorendstufe an, da die Transistoren anfangs noch nicht rauscharm genug waren, um hochohmige Aufgaben zu übernehmen.

 

Zuerst fiel mir auf, daß die Schrimgitterspannung an der Pentode etwa doppelt so hoch war, als sie hätte sein dürfen, wie noch an meinem Vermerk im Schaltplan zu sehen ist. Auch die Anodenspannung war etwas erhöht, aber nach meinen Maßstäben noch tolerierbar. Etwas niedrig erschien mir auch die Kathodenspannung von

2 V, die allerdings völlig in Ordnung ist, wenn man einen Blick ins Datenblatt der Röhre wirft und feststellt, daß für eine komplette Sperrung der Röhre nur - 2,3 V Gitterspannung nötig sind.

 

Die Anodenspannung der Triode war ebenfalls eine Punktlandung, da sie direkt aus dem Netzteil gewonnen wird und das Gitter war gleichspannungsfrei. So weit, so gut.

 

Unter diesen Gesichtspunkten begann ich in der Transistorendstufe zu suchen, was ich jetzt nicht im Einzelnen beschreiben werde, da sich dieser Ansatz als Holzweg erwies.

Nachdem ich das hinter mir hatte, prüfte ich den NF-Verstärker zuerst auf die üblichen Probleme. Die Kondensatoren im Signalweg waren bereits alle erneuert und so befasste ich mich mit den Kathodenaggregaten der beiden Röhrensysteme. Die Elkos hatte ich ebenfalls beide schon ausgetauscht und die Widerstände waren werthaltig. So putzte ich als nächstes die Kontakte des Relais, das während der automatischen Sendersuche die NF-Stufe stummschaltet und kontrollierte auch die Röhrenfassungen- und Pins.

Auch meinen neuen Koppelkondensator und den Gitterableitwiderstand unterzog ich einer Kontrolle. Nichts.

 

Mein nächster Verdacht war, besonders wegen des frequenzabhängigen Verhaltens, die Rückkopplung. Aus der RK-Wicklung des Ausgangstrafos (ja, früher hatte man das auch noch bei Transistorendstufen), wird diese direkt über den oben beschriebenen Spannungsteiler wieder der Triode zugeführt. Beide Widerstände waren in Ordnung. Klemmte man die Rückkopplung ab, wurde der Ton wie zu erwarten lauter und unausgewogener, aber der Fehler blieb. Ich lötete alle kritischen Lötstellen nach und prüfte die Masserverbindungen - auch hier ohne Erfolg. Auch Gitteremission konnte ich bei keinem der beiden Systeme nachweisen.

 

Ich machte erst mal eine Woche Pause und brütete über dem Schaltplan. Natürlich wurmte es mich ungemein, bei einer solch einfachen Schaltung den Fehler nicht zu finden.

 

Da meine bisherige Fehlersuche erfrischend erfolglos verlaufen war, beschloß ich, von passiven zu aktiven Methoden überzugehen. Vielleicht wäre der Fehler ja zu provozieren oder zumindest mit externen Signalen einzugrenzen.

Als erstes lötete ich das Steuergitter der Pentode frei und klemmte stattdessen meinen NF-Sinusgenerator an. Von 50 Hz bis 15 kHz ließ sich an einem guten Lautsprecher ohne Probleme ein sauberer Sinus hören und messen.

Um sicherzugehen speiste ich das Signal, das normalerweise am Steuergitter anliegt in einen anderen Verstärker ein und hatte eine klare und unverzerrte NF-Wiedergabe. Im Radioteil war der Fehler also wirklich nicht; wenigstens etwas.

Um den Fehler auf eine Stufe einzugrenzen fütterte ich anschließend zuerst die Transistorendstufe mit einem Musiksignal aus einem CD-Player und hatte auch hier einen klaren Klang.

Speiste ich das Signal hinter der RK und vor der Triode ein, so trat der Fehler wieder auf.

Das Problem saß also im Triodensystem - Bingo!

 

Nun war das eigentlich der kurioseste Ort dafür, da dies von allen Verstärkerstufen die primitivste ist. Im Prinzip fungiert sie nur als "Nachbrenner" für die Pentode, um den Zwischenübertrager zur Transistorendstufe zu treiben. Bis auf das Kathodenaggregat und den Gitterableitwiderstand gab es dort schlicht nichts, was kaputtgehen konnte und das hatte ich alles überprüft.

Es kostete mich drei Tage, um auf den Gedanken zu verfallen, daß es da durchaus noch eine unbedeutende Kleinigkeit gab, die kaputt sein könnte: Die Röhre selbst.

 

Zwar wäre das ein ausgesprochen untypisches Fehlerbild, doch hatte ich inzwischen gelernt, daß man sich auf nichts verlassen darf und man auch nach zehn Jahren Bastelpraxis dafür offen bleiben muß, in alle Richtungen zu denken.

So konsultierte ich meine Excel-Tabellen, die mir Ordnung in meinen etwa 6.000 eingelagerten Röhren verschaffen und musste verblüfft feststellen, daß sich in meinem Fundus keine einzige ECF83 befand, nicht mal eine gebrauchte. Dieses Radio war wirklich mal etwas anderes...

(Später fand ich heraus, daß es dieses Mauerblümchen in exakt vier Radiomodellen gab und sie sonst vor allem in Computersystemen von IBM verwendet wurde und nicht in Audioanwendungen.)

Eine Woche später hatte ich zwei NOS ECF83 im Briefkasten liegen und steckte eine davon gleich ins Radio.

Auf einmal hatte ich einen sauberen und klaren Klang. Ich konnte es immer noch nicht fassen, daß es an der Röhre gelegen haben sollte.