Für alle, die damit nichts anfangen können, hier eine kleine Erklärung, was eine YΔ-Schaltung überhaupt ist, was man damit macht und wie sie funktioniert:
Die Älteren werden es noch kennen: Wer einmal eine alte, drehstrombetriebene Kreissäge angeschaltet hat, dem wird es unter Umständen passiert sein, daß ohne ersichtlichen Grund die Sicherung ausgelöst hat.
Das ist folgendem Umstand geschuldet: Ein Drehstrommotor ist prinzipiell nichts anderes, als eine induktive Last, in diesem Falle dargestellt durch die Feldspulen.
Wie vielleicht bekannt ist, benötigen ganz besonders Elektromotoren einen enorm hohen Anlaufstrom, der durch die Trägheit des Ankers im Einschaltmoment bedingt ist und gut und gerne das zehnfache des Nennstroms betragen kann. (s. Wikipedia)
Dieser führt dazu, daß die, unter Umständen zu flinke, Sicherung meint, abschalten zu müssen.
Jetzt kommt die YΔ-Schaltung ins Spiel: Sie lässt einen Asynchronmotor in Sternschaltung anlaufen, was den Anlaufstrom auf 1/3 des Normalwertes begrenzt, da nur eine Phase anliegt.
Ist der Motor in Schwung gekommen und die gewünschte Drehzahl erreicht, wird entweder mittels eines voreingestellten Zeitrelais oder eines Stufenschalter umgeschaltet und der Motor läuft in Dreieckschaltung weiter. Dies nennt man Sanftanlauf und verhindert die Einschaltstromspitze.
Angewandt wurde dieses Verfahren früher vor allem bei Motoren, die große Lasten antrieben, wie zum Beispiel Druckerpressen, Kränen oder ähnlichem. Bei kleinen Lasten und Motoren war eine Kompensation des Anlaufstroms meist gar nicht nötig.
Jetzt stellt sich die Frage: Warum baut man sowas in unserer heutigen Zeit noch auf?
Die Antwort ist ganz einfach: Für den Lerneffekt!
Nicht nur, daß man damit wunderbar den Einstieg in die Relaistechnik machen kann und beim Aufbau praktisches Wissen ansammelt, sondern auch der recht ungefährliche Umgang mit Drehstrom macht die Schaltung so reizvoll.
Bei mir war es ein noch trivialerer Grund:
Beim Tag der offenen Tür (TdoT) meiner Schule, an dem sie sich den Grundschülern präsentiert, die ihre Wahl treffen müssen, stellen traditionell die zehnten Klassen den Fachbereich Physik vor.
Das gestaltet sich meist in Form einiger Mitmach-Experimente für die Viertklässler, wie zum Beispiel einem Mohrenkopf im Vakuum, oder ein 100er Nagel, den man an einen Elektromagneten hängt.
Schon als ich diese Experimente selbst betreute, stellte ich fest, daß viele potentielle neue Fünftklässler sie für wenig fesselnd und etwas witzlos befanden, worauf ich im nächsten Jahr, ich saß inzwischen im Physik-Leistungskurs, die Idee hatte , ein paar elektrische Show-Experimente durchzuführen - zwar nicht zum Anfassen, dafür aber zum Staunen.
Da ich nicht nur Versuche im Faraday´ schen Käfig machen konnte, verfiel ich auf die Idee, einen Versuch mit hohen Spannungen und Strömen zum "Selbermachen" anzubieten.
Was eignet sich da besser als eine YΔ-Schaltung?
Aufgebaut auf einer Spanplatte, abgedeckt mit Plexiglas und als Last einen kleinen Motor - was will man mehr? Der Gedanke war, an der Front drei Knöpfe zu platzieren: Einen grünen Ein-Taster, einen roten Aus-Taster und einen Not-Aus. In eine der Phasen sollte ein Amperemeter eingeschleift werden, damit der Stromanstieg beim Umschalten auch gut sichbar würde. Wer wollte, sollte dann mittels Knopfdruck den Motor in Gang setzten können und die Schaltung in Aktion erleben.
Als ich nach langem Hin und Her das OK der Schulleitung und meines Physiklehrers hatte, begann ich mit dem Aufbau der Schaltung, was ich hier im Tagebuchstil dokumentieren will, bis sie am 03.12.16 zum Einsatz kommt:
Nachdem die Idee geboren war, begann ich zunächst damit, mich in die Materie einzuarbeiten.
Da ich sonst selten mit Drehstrom zu tun habe, besorgte ich einen Schaltplan und konsultierte meine kleine Elektro-Bibliothek zu dem Thema.
Schnell hatte ich das Basiswissen auf dem Kasten und die Schaltung durchdrungen und so fuhr ich fort, diversen Leuten in der Schule auf die Nerven zu gehen.
Noch immer hatte ich keine endgültige Zusage der Schule, doch konkretisierte ich meine Planungen und erstellte eine Materialliste.
Heute endlich wurden meine Vorschläge von der Fachschaft abgesegnet und ich begann, das Material zusammenzutragen. An dieser Stelle Herzlichen Dank an Hr. Sauer und Hr. Schmidt!
Vorhanden waren der Not-Aus sowie ein schnuckeliger, kleiner Drehstrommotor, der sich hervorragend für meine Zwecke eignen dürfte. Glücklicherweise schmeiße ich ja nichts weg!
Den Rest würde ich aus der Verwandtschaft beziehen.
(Nachtrag: Der Motor war keineswegs geeignet für diese Anwendung. Hätte ich mir einmal die Mühe gemacht, das Typenschild zu lesen, so hätte ich festgestellt, dass der Motor nur 220V statt 380V verträgt.)
Heute endlich erreichte mich ein Großteil des benötigten Materials.
Darunter NeoZED-Sicherungen, Schütze, Signalleuchten, eine Hutschiene, das Zeitrelais und einiges mehr!
Nun konnte es losgehen: Ich hatte fast alles zusammen und auch eine 50x50cm Spanplatte stand zur Verfügung.
So begann ich, die 2m Hutschiene auf die benötigte Länge zu kürzen (Als Faustregel kann gelten:
12 Sicherungsautomaten sollten nebeneinander passen plus etwa einen cm Spielraum. Bei einer Breite von 1,8cm pro Automat kam ich auf großzügige 25cm) und die Kanten zu entgraten, damit sich niemand verletzt.
Als nächtes galt es den Abstand der Leisten auf dem Brett zu wählen, wobei darauf zu achten ist, daß man am Ende genug Platz für die Verdrahtung lässt. Wer die Bilder betrachtet, dem wird auffallen, daß für die untere Leiste ein größerer Abstand gewählt wurde, was daran liegt, daß auf einen der Schütze, die hier von der mittleren Schiene getragen werden, noch der Motorschutzschalter aufgebockt wird, was nochmals ca. 7cm kostet.
Die Montage fand einfach mittels sechs zufällig passender Holzschrauben statt, die ich noch in einer Zigarrenkiste fand.
Als dies vollbracht war begann ich schon mal probeweise, die einzelnen Komponenten aufzuklipsen, natürlich auch in einer sinnvollen Reihenfolge.
Inzwischen hatte ich auch den gebrauchten FI-Schalter gefunden, der vor einigen Jahren auf Verdacht gegen einen neuen ersetzt wurde, aber noch voll funktionsfähig ist. Er durfte neben der Singallampe auf der unteren Schiene Platz nehmen.
Außerdem wurden probeweise die drei Schütze platziert, auf die bei Bedarf noch Hilfskontakte aufgebockt werden können.
Nachdem ich heute die Reihenklemmen in Empfang nehmen konnte, konnte es weitergehen:
Die obere Schiene wird nun mit diesen bestückt und später die Anschlüsse aller Komponenten auf die Klemmen gelegt. Wichtig ist hierbei, einen genauen Belegungsplan anzufertigen, damit man nachher noch weiß, was wo ist. Last wird in schwarz, Steuerung in rot oder braun, Null in blau und PE wie immer in gelb-grün geführt.
Heute kam ich dazu, die Reiheklemmen für den Last- sowie für den Steuerstromkreis fertig zu belegen. Das Resultat ist hier zu sehen. Auch kam heute der Perilexstecker an, dessen Beschaffung schon kompliziert genug war, wenn man bedenkt, wie lange dieses System schon nicht mehr Stand der Technik ist. Leider muß ich ihn dennoch verwenden, da meine prähistorische Schule keinen CeKon-Anschluß bietet...
Heute kam ich dazu, alles noch einmal zu überprüfen. Neben ein paar kleinen Verdrahtungsfehlern verfiel ich auf die Idee, noch Signallampen für Stern- und Dreiecksbetrieb einzubauen.
Auch das "Netzteil" ist inzwischen verkabelt und auch der Not-Aus sowie das Steuergerät haben provisorisch Einzug gehalten.
Es folgte eine kleine Umorganisierung der Komponenten.
Dazu schnitt ich zunächst eine Plexiglasplatte passend und längte eine Gewindestange entsprechend sechs mal ab, um die Platte am Ende sicher fixieren zu können.
Als Distanzbolzen fungieren ebenfalls zugeschnittene Alurohre. Diese Schneidearbeiten waren wohl mit Abstand die unangenehmsten und schweißtreibensten Perioden der Bauphase, da ich es versäumte, rechtzeitig ein neues Sägeblatt zu besorgen. Am Ende platzierte ich jeweil eine Kopfmutter. Auch der Perilexstecker fand bereits seine Anwendung: Um VDE-konform zu arbeiten, wird die Schaltung mit einem Cekon-Stecker versehen und dann mittels eines heute entstandenen Adapters, der aus Perilexstecker und CeKon-Kupplung besteht, ans Stromnetz gehängt, was mir auch das Testen in heimischen Gefilden erleichtert.
Heute folgte der komplizierteste und herausfordendste Teil des Aufbaus: Die Brücken für die Steuerung waren zu verlegen!
An diesem Punkt stieß ich an meine Grenzen und mußte feststellen, daß mir in solchen Dingen eindeutig die Übung fehlt. Da hierfür nur 230V gebraucht wurden, schloß ich die Steuerung zum Probieren zunächst mit einem alten Hausgerätekabel an.
1.) Nachdem ich glaubte fertig zu sein und einen Probelauf anberaumte fiel zuerst der FI heraus, weil ich nicht bedacht hatte, daß dieser sich mit dem Haus-FI beißt.
2.) Nun hatte ich zumindest mal Strom, nur die Betriebslampe, die einen Wackler aufwies wollte nicht leuchten.
3.) Als nächstes stellte ich bei der Betätigung des Einschalters fest, daß der Schütz nicht in Selbsthaltung gehen wollte und ständig wieder abfiel. Da eine Fehlersuche keinen Zweck hatte, revidierte ich die gesamte Verdrahtung.
4.) Es folgte eine sehr unerfreuliches Intermezzo mit dem Motorschutzschalter, dessen NC-Kontakt 95/96 eigentlich im Notfall die Steuerung lahmlegt. Ohne, daß dieser irgendwo angeklemmt wäre, produzierte der nächste Einschaltversuch den kuriosesten Kurschluß, der mir in meinem bisherigen Leben wiederfahren war: Das Licht ging ohne das gewöhnliche Knallen des Sicherungsaustomaten aus. In anderen Teilen des Hauses brannte es hingegen noch. Der Blick in den Sicherungskasten zeigt, daß keine Sicherung herausgefallen war.
Etwas stutzig geworden prüfte ich die Hauptsicherungen im Keller und stellte zu meinem Erstaunen fest, daß eine der drei 50A NeoZED-Sicherungen ausgelöst hatte. Das soll verstehen wer will. Ich ersetze sie und entfernte die gesetzte Brücke, die vermeintlich für den Kurzen verantwortlich gewesen war.
5.) Ich begann gelinde an meinem Verstand zu zweifeln, als auch beim nächsten Einstecken das Licht flackerte.
Jetzt kam ich auf den Trichter: Das provisorische Anschlußkabel stammte von unserem alten Trockner, der genau durch solche Symptome aussortiert worden war. Ich tauschte das Kabel und die Problem traten nie wieder auf.
Es tat mir jedoch in der Seele weh, erkennen zu müssen, daß der Trockner eigentlich völlig grundlos seinen Tod gefunden hat. Möge er in Frieden ruhen!
6.) Nachdem nun die Verkabelung das zweite Mal aufgebaut worden war, gab es den nächsten Test: Diesmal funktionierte die Selbsthaltung, doch eine Signallampe wollte nicht und die Schaltung schlug auch nicht um.
7.) Das Problem lag beim Zeitrelais. Oder besser einem Mulitfunktionsrelais mit 18 Modi und einem 58(!) seitigem Handbuch! Dieses ließ mich dann auch wissen, daß dieses Relais, für dessen Einstellung man vermutl. studiert haben muß, eine weitere Konstantspannung braucht, die ich ihm auch nicht vorenthielt.
Und siehe da: Es klappte! Auch der Not-Aus und alle anderen Einrichtungen versahen ihren Dienst!
Heute endlich konnte die Schaltung fertiggestellt werden:
Die Verkabelung des Laststromkreises erforderte einen Bruchteil der Zeit, die für die Steuerung nötig war und nach einigen Hirnverrenkungen konnte ein erster Probelauf mit dem Motor gemacht werden; zunächst nur im Stern. Das klappte auch schon sehr gut.
Als nächstes wurde die Brück über X-Y-Z entfernt und auch der Dreiecksanschluss gelegt.
Der Motor lief auch ordnungsgemäß an , doch nach der voreingestellten Umschaltzeit von fünf Sekunden blieb er unvermittelt stehen, statt ins Dreieck zu wechseln.
Der Fehler war schnell gefunden: Der zugrundeliegende Schaltplan war schlichtweg fehlerhaft.
Normalerweise muß bei der Belegung des Motors eine Phasenverschiebung um 90° erfolgen, damit die Spulen ein Drehfeld erzeugen können. Nach diesem Schaltplan lag jedoch jede Phase auf ihrem eigenen Nullpotential!
Schnell die Drähte um eine Position verschoben und schon lief der Motor, schaltete um und schnurrte deutlich hörbar im Dreieck weiter! GESCHAFFT!
Folgende Sätze belasse ich im Sinne der chronologischen Dokumentation in dieser Beschreibung, doch unterlag ich einer gravierenden Fehlannahme. Grund des Gestanks war die Überlastung des Motors mit 380V im Dreieck statt den 220V auf dem Typenschild.Bei dem ganzen Dreck, den ich im Vorfeld aus dem Motor gepult hatte, hielt ich meine Theorie tatsächlich für tragfähig. Manchmal sieht man den Wals vor lauter Bäumen nicht.
Nobody is perfect:
Dabei entpuppte sich nur leider eine negative Eigenschaft des niedlichen schwarzen: Nach vermutl. einigen Jahrzehnten der Lagerung und einem Dasein, daß wahrscheinlich nie etwas anderes als eine Sternschaltung gesehen hatte, wie den Brücken zu entnehmen war, die ich vorfand, stellte sich unter Volldampf ein sehr unangenehmer Geruch nach verbranntem und altem Lagerfett und Dreck ein. Solch ein bestialischer Gestank differenziert sich nur wenig von dem einer Brandleiche...
Aber egal: Auf den Showeffekt kam es an.
Danach wurde noch die Plexiglasplatte aufgesetzt und in eine der Phasen zwei Telefonbuchsen eingeschleift, um ein Amperemeter anschließen zu können. Falls dies nicht gewünscht ist, müssen diese unbedingt gebrückt werden. Natürlich ist das nichts für eine größere Last, aber es ging bei der ganzen Schaltung ja nur um den didaktischen Effekt.
Es folgen demnächst noch einige kosmetische Korrrekturen.
Wie geplant hat die Schaltung dann auch am 03. Dezember ihren Dienst beim Tag der offenen Tür zuverlässig versehen und half mir hoffentlich dabei, einige Schüler für unsere Schule anzuwerben.
Leider gibt es davon keine Bilder, da irgendwie alle zu beschäftigt waren, um zu fotographieren, aber alles in allem war es ein ganzer Erfolg.
Nebenbei konnte ich auch erreichen, daß wir nach einigem Probieren eine funktionsfähige Teslaspule, Hörnerelektroden und einen Hochstromgenerator da hatten, mit dem wir einen Nagel durchglühten und ein Stück Gulasch brieten. Dazu herzlichen Dank an Fr. Dengel und den Kurs 11PH1, ohne deren Hilfe das nicht möglich gewesen wäre.
Für die nächsten Jahre plane ich eine musikalische Modulation der Teslaspule und ein besseres Bratergebnis des Fleisches.