Am 27.10.18 kam ich in den Besitz eines wirklich alten und schlecht erhaltenen E-Motors für Wechselstrom aus einer Bunkeranlage der ehemaligen Bundespost, vielleicht sogar noch ehemals Reichspost, wo er in der letzten Ecke auf einer Fensterbank vor sich hingammelte. Zunächst Bilder vom Fundzustand:
Wie den Bildern schon zu entnehmen ist, hat wohl jemand diesen Motor mal zu einem Lüfter oder ähnlichem umfunktioniert. Das Lüfterrad ist Marke Eigenbau und auch der Holzzylinder scheint selbstgedrechselt zu sein.
Woher der Motor ursprünglich stammt ist wohl kaum noch nachzuvollziehen. Die offene Bauweise spricht gegen einen Einsatz in einer Werkzeugmaschine. Da ich ihn ja aus einem Postgebäude habe könnte es sich um einen Antrieb für eine der ersten Ruf- und Signalmaschinen (RSM) handeln, wie sie lange in Telefonvermittlungen eingesetzt wurden. Mit einer angegebenen Leistung von 90W könnte das auch gut hinkommen. Leider gibt das Typenschild nichts über das Baujahr an, aber ich tippe auf Mitte der 1930er bis Anfang der 1940er, was wiederum eher gegen einen RSM-Antrieb spräche (diese Technik fand erst nach dem Krieg Verbreitung).
Auf jeden Fall handelt es sich hier aber um einen Einphasen-Reihenschlussmotor, wie man direkt am Aufbau und der Verschaltung sieht (Anker- und Erregerspule liegen in Reihe). Das bietet den Vorteil, daß der Motor sich quasi selbst funkentstört und sich im Notfall auch gut mit Gleichstrom betreiben lässt (Der einzige Unterschied liegt im größeren Drahtdurchmesser in der Erregerspule), was zur einer Zeit, wo es noch Gleichstrom-Lichtnetze gab durchaus von Interesse gewesen sein dürfte.
Das einzige Problem bei dieser Motorbauart ist folgendes: Es gibt keine bauartbedingte Höchstdrehzahl.
Jetzt wird man sich erstmal denken: "Ist doch schön!", doch weit gefehlt! Normalerweise wird die Drehzahl dieser Motoren durch die angekoppelte mechanische Last einer Maschine oder ähnlichem limitiert. Ist das nicht der Fall, dreht der Motor höher und höher und geht durch. Das geht so lange, bis der Anker durch die enormen Fliehkräft berstet. Deshalb sehe ich es skeptisch, so eine Konstruktion auf die Welle zu schrauben, aber es scheint ja mal funktioniert zu haben... Vielleicht war hier auch die Lagerung einfach schlecht genug.
Die erste Herausforderung bestand aufgrund des Oxidationsgrades bereits in der Demontage der Einzelteile.
Die beiden Lagerschalen, durch die die Achse verläuft, sind an der Unterseite mit der Trägerplatte verschraubt, die den mit Abstand stärksten Rostbefall aufwies:
Ich eröffnete den Kampf mit dem Abschlagen grober Rostpartikel von den Schrauben mit Hammer und Meißel.
Nachdem die Schrauben wenigstens wieder zu sehen waren tränkte ich die gesamten Verbindungen mit Kriechöl und ließ dieses über Nacht auf den Gegner einwirken.
Am nächsten Nachmittag führte ich dann den entscheidenden Schlag: Von der rechten Flanke her kesselte ich die Schrauben mit der Heißluftpistole ein und überwältigte sie unerwartet mit Kältespray! Das Überraschungsmoment ausnutzend zog ich frontal mit der Rohrzange gegen die feindlichen Reihen und der Gegner fiel!
Im Ernst: Es hat einige Mühen gekostet, aber nach zwei Stunden waren die Schrauben dann raus - zwar ziemlich zerfleddert, aber sie wären eh nicht mehr zu retten gewesen.