Modell: Graetz Comedia 616 Raumklang Vollsuper
Baujahr: 1958/59
Röhren: ECC85, ECH81, EF89, EABC80, EL84, EM84
Kreise: 6AM/10FM + 1AM Sperrkreis
Kaufpreis: geschenkt
Anschaffung: 17.11.14
Fertigstellung: 04.03.15
Bänder: UKW, MW, LW, KW, (TA, TB)
Gehäuse: Holz
Antennen: UKW-Gehäusedipol, fest montierte Ferritantenne
Abstimmung: AM: Drehko
FM: Drehko
Klangregister: Sprache, Solo, Orchester, (Höhen, Tiefen)
Link zu rm.org: Comedia 616
Diese Radio war das erste, was ich jemals reparierte.
Ich fand es eines Tages auf dem Dachboden meines Großvaters und fragte ihn, ob ich es mitnehmen könne, da ich es für nicht gerade angemessen hielt, das gute Stück auf dem Speicher vergammeln zu lassen.
Gesagt getan - wir nahmen das Gerät ersteinmal zur Begutachtung mit in die kleine Werkstatt meines Großvaters und entfernten außen der gröbste Dreck. Jetzt konnte man schonmal wieder erkennen, daß es sich um ein Radio handelte...
Wohlwissend, daß es schlimm hätte enden können, hätte ich das Gerät einfach mal auf gut Glück eingesteckt, ließ ich die Finger davon und nahm es erstmal mit nach Hause.
Dort angekommen wanderte es direkt in den Keller und wurde sodann von mir auch postwendend aus seinem Gehäuse geholt um einen groben Überblick über den Zustand im Inneren zu bekommen.
Das erste, was ich sah war allerdings Staub.
Also begann eine erneute Reinigungsorgie, diesmal allerdings mit Pinsel und Waschbenzin.
Es folgte der Blick unter´ s Chassis und schon erkannte ich, daß sich einige der, wie ich wußte prinzipiell defekten, ERO100 Kondensatoren darunter verbargen. Weiter reichten meine Kenntnisse allerdings nicht.
Löten konnte ich einigermaßen und so schrieb ich mir die Werte von den kleinen Papierröllchen ab und bestellte im Internet neue.
Als diese ankamen war ich kaum noch zu halten und begab mich auch umgehend in den Keller, um den Austausch vorzunehmen.
Das Chassis wanderte ins Gehäuse und die Rückwand wurde wieder verschraubt.
Nun kam der große Moment: Ich hatte die Wartezeit auf die Ersatzteile genutzt und mir eine Vorschaltlampe gebaut an die ich das Radio nun anschloß.
Als ich den Schalter dieses Vorschaltgerätes umlegte, war ich nicht weit vom Kammerflimmern entfernt, da ich Schauergeschichten über explodierende Elkos und anderes gehört hatte.
Es passierte: gar nichts!
Schnell gewann ich die damals schon die Erkenntnis, daß der Fehler im Netzteil liegen mußte und so prüfte ich zuerst die Sicherung, was ich im Eifer des Gefechts ganz vergessen hatte. Diese war durchgebrannt. Also schnell getauscht und nochmal von vorn. Immernoch nichts!
Jetzt wurde mir Angst und Bange, da ich nun in die Verlegenheit geriet, systematische Fehlersuche betreiben zu müssen, was bei meinen damaligen Kompetenzen aussichtslos erschien.
Alledings ließ ich mich davon nicht so schnell entmutigen und mit Multimeter und Schaltplan bewaffnet ging´s primärseitig los: Erstaunlicherweise hatte ich den Fehler nach fünf Minuten schon gefunden: Das Netzkabel war direkt am Trafo durch den Druck der Zugentlastung gebrochen.
Also schnell um zehn Zentimeter gekürzt, neu verlötet und wieder an die Vorschaltlampe.
Nach etwa 30 Sekunden zeigte sich ein leichtes Glimmen in den Glaskolben der Röhren und schon bald ertönte ein dezentes Knacken, dem ein Rauschen folgte und nach etwas Kurbeln am Senderrad sogar ein klarer Empfang! Sogar die EM84 leuchtete noch sehr intensiv.
Danach war ich für mindestens eine Woche in Hochstimmung, was bei mir eig. immer der Fall nach einer geglückten Reanimation eines alten Gerätes ist.
Es folgten noch ein paar kosmetische Anpassungen wie eine neue Skalenlampe und das Zentrieren des magischen Bandes im Sichtfenster sowie ein Probelauf in meinem Keller.
Nun stand einem Umzug in die Wohngemächer nichts mehr im Wege.
Es funktioniert bis heute einwandfrei und erfreut mich täglich mit seinem, wie ich finde recht gutem Klang.
Sicherlich ist es kein Spitzengerät, aber ich hege eine gewisse sentimentale Verbundenheit dazu.
Im Nachhinein wundert es mich doch ein wenig, daß ich es geschafft habe, mit den mir damals zu Verfügung stehenden Mitteln, dem Gerät neues Leben einzuflößen und auch mein doch recht vorsichtiges Vorgehen hätte ich mir heute nicht mehr zugetraut.
Andererseits war es auch ein gutes Einsteigergerät - viel Platz, leichtes Auffinden der Bauteile anhand des Plans und eine recht robuste Bauweise sowie die gute Pflege durch meinen Urgroßvater (auf der beiliegenden Abstimmkarte war jedes Jahr eine technische Überprüfung durch einen Radio- und Fernsehtechniker eingetragen) trugen maßgeblich zu meinem Erfolg bei.
Ich bereue es nur, keine Vorher-Bilder gemacht zu haben.
Dieses Gerät hat meine Liebe zur Röhrentechnik aufflammen lassen, wobei ich nicht weiß, ob ein Mißerfolg bei dessen Reparatur dazu geführt hätte, daß ich das Interesse daran verloren hätte; aber es ist ja nochmal alles gutgegangen!
Interessant bei diesem Gerät ist vielleicht auch noch die niedrige ZF von 6,75MHz, die Spiegelfrequenzen besser unterdrückt. Dafür ist das Gerät aber doch sehr trennscharf und empfindlich.
Nach etwa einem Jahr machte sich das Radio durch ein unangenehmes Knacken und einen dezenten Knall beim Abschalten bemerkbar. Auch das magische Band hatte in seiner Empfindlichkeit nachgelassen.
Ich parkte es zunächst zugunsten des WU/K ein Jahr im Keller und nahm es im April beim Aufräumen wieder hervor.
Das Problem lag auf der Hand: Der Ratioelko, den ich damals nicht ersetzt hatte flog raus. Auch zwei andere Kandidaten hatte ich seinerzeit übersehen. Damit war zumindest das Problem des Knackens und der Empfindlichkeit behoben.
Dabei fiel mir auch auf, wie verheerend meine Lötstellen von damals aussahen, aber jeder fängt mal klein an...
Ein kurzes Nachlöten machte sie einigermaßen salonfähig. Auch ein paar Kaltlötstellen auf der Platine um die EL84 herum beseitigte ich noch.
Als ich die EM84 wieder einbauen wollte musste ich feststellen, daß mir die Pertinaxfassung fast in der Hand zerbröselte. Anscheinend hatte man dort gespart, wo die anderen Röhren doch alle Pressstofffassungen haben.
Also tauschte ich die Fassung schnell und musste danach aber feststellen, daß das Band auch ohne Sender komplett geschlossen war, allerdings schwächer leuchtete, als es bei einem starken Sender der Fall gewesen wäre. Mein Verdacht lag auf dem Koppelkondensator 470pF g1 gegen Masse, welcher sich auch promt bestätigte. Ein neuer Kondensator brachte Abhilfe, der alte hatte nurmehr 30kΩ Isolationswiderstand. Mit dieser Bauform hatte ich keinerlei Erfahrung, erinnerte mich jedoch optisch an die Tropfen von Tantalelkos, was aber bei dieser Kapazität wohl kaum der Fall sein wird.
Der Knall beim Abschalten blieb, diesbezüglich liegt mein Verdacht auf der Siebkette, zumal dieses Phänomen auch oft mit einem abklingenden Rauschen einherging.