Hameg HM 312 S

Steckbrief:

Modell: Hameg HM 312 S

Baujahr: 1972 (Bauzeitraum vrmtl. 1970-72)

Röhren: D13-480GH

Halbleiter: 2N5293, 2 x B80C800, B250C800, 2 x EC40, 3 x BF244, CA3018, 6 x BF311, 17 x BC237, BC212, 1N4176,                         ZF6,8, 4 x BF257, 2 x BF258, 6 x BYX10

Anschaffung: September 2015

Fertigstellung: 02.06.21

Gehäuse: Stahlblech

Gewicht: 8,5 kg

Bandbreite: 10 MHz

Link zu rm.org: HM312S

historisches

Dieses Oszilloskop war nach meinem Picoskop tatsächlich das erste, das man auch als Meß- und nicht nur als Prüfgerät bezeichnen kann.

Ich erhielt es 2015 von einem Bekannten in unbekanntem Zustand. Natürlich nahm ich es mit Kusshand, denn ein richtiges Oszilloskop war zu diesem Zeitpunkt die Krönung meines Messgeräteparks.

Zu Hause angekommen legte ich es gleich an den Strom und erlebte eine Überraschung, als sich auch nach 30 Sekunden Vorheizzeit kein Strahl zeigte. Ich spielte ein wenig an den Reglern herum und so zeigte sich, daß es sehr wohl einen Strahl gab, nur hing er so weit unten, daß man sehr schief hinter den Rahmen des Bildschirms gucken musste, um ein grünes Leuchten zu erahnen. Auch mit dem Y-Regler ließ er sich nicht in die Schirmmitte bewegen.

 

Da mir zu diesem Zeitpunkt die 2 kV der Bildröhre Angst und nicht nur Respekt einflößten, ließ ich das Gerät erst mal drei Wochen stehen, bevor ich mich traute, das Gehäuse zu öffnen.

Ich hatte damals nicht die geringste Ahnung von Transistoren, geschweige denn von systematischer Fehlersuche in Halbleiterschaltungen. Meine ersten Kontakte mit Strom waren alle im Röhrenbereich gewesen und Halbleiter böhmische Dörfer.

Meine etwas naive Hoffnung, vielleicht einen durchgeschossenen Kondensator oder einen ähnlich offensichtlichen Defekt zu finden, wurde durchkreuzt. Wenigstens war ich klug genug, unter diesen Umständen die Finger von dem Gerät zu lassen.

So stand es dann noch einmal zweieinhalb Jahre unberührt im Keller herum, während mein Wissen um Elektronik und auch meine Ausrüstung zur Reparatur und Fehlersuche wuchsen.

Mit Hilfe des DRF wagte ich dann noch einmal einen Anlauf, aber trotzdem nur bei stromlosem Gerät. Der Verdacht lag damals auf den Eingangs-FETs des Y-Verstärkers. Nachdem ich diese gegeneinander getauscht hatte und der Fehler nicht mitwanderte, war diese These widerlegt und ich mit meinem Latein am Ende. Mehr aus Langeweile als aus Ambition klingelte ich (im eingebauten Zustand) noch einmal die Transistoren im Verstärker mit dem Komponententester meines inzwischen angeschafften HM 203-6 durch, konnte allerdings keinen eindeutigen Kurzschluß oder eine Unterbrechung detektieren. So wurde das Gerät wieder eingelagert.

 

Da ich mit dem 203er etwas weit besseres hatte, war die Motivation, weitere Zeit und Mühen zu investieren in der folgenden Zeit relativ gering, aber das Gerät abzugeben war mir dann doch zu blöd, da ich es geschenkt bekommen hatte und der Fehler so gravierend nicht sein konnte. So zog es dann auch zum Studium mit mir um und stand weitere 18 Monate in einem anderen Keller.

 

Nachdem ich im Winter 2020/21 irgendwie einen Lauf hatte, in dessen Zuge mir alle Reparaturen gelangen, war ich frohen Mutes, die Nuß nun endlich knacken zu können und den Raum auf dem Regal nicht weiter einem defekten Gerät opfern zu müssen. Außerdem war mir so ein einfacher Einsträhler als Gerät für Außeneinsätze sogar recht willkommen, da alle anderen Oszis entweder zu schwer oder zu kostbar waren, um die Werkstatt zu verlassen.

Reparaturbericht

Mit meiner neuen Werkbank und den inzwischen wirklich umfangreichen Messmitteln musste ich dem Problem doch zu Leibe rücken können.

Inzwischen war ich auch in Halbleiterschaltungstechnik recht gut bewandert (wenn auch nicht so sehr wie bei Röhren, aber für diese einfachen Schaltungen reichte es allemal) und hatte eine gesunde Einstellung zu hohen Spannungen, sodaß ich jetzt auch entspannt am offenen Gerät im Betrieb messen konnte.

 

Als ich es für einen ersten Test anschaltete, war ich allerdings zunächst etwas perplex, denn das Fehlerbild, das ich über all die Jahre memoriert hatte, trat nicht mehr auf. Stattdessen zeigte sich nun gar kein Strahl mehr. Super.

 

Zunächst dachte ich, daß das Bauteil, das die fehlerhafte Ablenkung des Strahls verursacht hatte, durch die lange Lagerzeit vielleicht noch weiter abgedriftet sei und den Strahl jetzt aus dem Bereich der Leuchtschicht herausgezogen hätte, doch nein.

Drehte man den Intensitätsregler auf und stellte die X-Ablenkung auf "Extern", sodaß der Strahl stand, konnte man in der Bildschirmmitte ein diffuses Leuchten über die gesamte Höhe erkennen.

Schnell schaltete ich wieder ab, um die Kathode der Bildröhre nicht zu sehr auszulutschen.

Immerhin schien die Röhre noch zu arbeiten. Ich dachte zuerst, der Wehneltzylinder bekäme vielleicht keinen Saft, sodaß der Strahl einfach total defokussiert sei. Eine Messung der Spannung am WZ widerlegte meine Vermutung.

Die X-Ablenkung schien auch zu arbeiten, denn am Ausgang des Generators konnte ich einen sauberen Sägezahn messen.

Bei der Messung der Y-Ablenkspannung zeigte sich allerdings eine extreme Asymmetrie von 120 V (passend zum Wert im Schaltplan) zu knapp über 200V auf der anderen Seite. Ein weiteres Symptom für das alte Fehlerbild...

Ich entlud die Elkos und die Bildröhre und begann, mich von der auffälligen Ablenkplatte rückwärts durch den Verstärkerzweig zu messen. Zum Glück brauchte ich nicht lange zu suchen: Schon der zweite Transistor, ein BF257 war auffällig. Ich lötete ihn aus und der Komponententester bestätigte das Problem: Die BC-Strecke war unterbrochen. Kein Wunder, daß die Ablenkung sponn.

Da ich nichts besseres zur Hand hatte (mein Halbleiterarsenal beschränkt sich auf die nötigsten Typen), nahm ich einen 2SC236, der für einen kurzen Test ausreichen sollte und lötete ihn ein. Und siehe da: Beim nächsten Test zeigte sich wieder das ursprüngliche Fehlerbild. Immerhin war wieder ein klarer Strahl vorhanden, den man auch fokussieren und mit den Reglern ein wenig verschieben konnte. Nur hing er immer noch am Rand des Schirms. Außerdem war die Verstärkung locker um den Faktor zehn zu niedrig, was für den Ausfall einer Verstärkerstufe sprach. Daß der Sinus an einer Seite abgeschnitten wurde, erhärtete diese These.

Für diesen Tag war es aber erst mal genug. Man soll aufhören, wenn´  s am schönsten ist.

Das wiederhergestellte, ursprüngliche Fehlerbild: Strahl völlig dezentriert, Verstärkung zu niedrig und auf der einen Seite wird das Signal abgeschnitten
Das wiederhergestellte, ursprüngliche Fehlerbild: Strahl völlig dezentriert, Verstärkung zu niedrig und auf der einen Seite wird das Signal abgeschnitten

So viel zum einfachen Teil. Den zweiten, ursprünglichen Fehler zu entlarven kostete mich deutlich mehr Nerven und brachte mich nahe an die Grenze der Frustration und das Oszi somit an die Grenze zu weiteren Jahren im Keller oder der finalen Entledigung durch meine Person.

Zum Glück kam es nicht so weit.

 

Auch wenn die Differenz der Ablenkspannungen nun nicht mehr so groß war, war sie nach wie vor deutlich vorhanden. Um die Verstärkerendstufen ausschließen zu können, lötete ich die Verbindungen von der Y-Leiterplatte zur Z-Leiterplatte, die die letzten beiden Leistungsstufen trägt, ab und siehe da: Ich hatte eine saubere Linie genau in der Mitte des Bildschirms!

Somit konnte ich meine Suche auf die Vorstufen beschränken, was insofern ganz angenehm war, als daß dort höchstens 30 V herrschen, was doch deutlich angenehmer ist, als ständig in der Nähe der Hochspannungs-erzeugung herumfummeln zu müssen.

 

In einem ersten Schritt nahm ich mir die Versorgungsspannungen vor. Diese waren an allen Stufen symmetrisch vorhanden und konnten somit nicht der Ausgangspunkt allen Übels sein. Es fiel allerdings auf, daß die vorverstärkten Ausangsspannungen der beiden Ablenkzweige eine Differenz von 3 V aufwiesen - somit musste irgendwo auf der einen Seite die Verstärkung zu mau sein.

Da ich hier mit dem Multimeter nicht viel reißen konnte, speiste ich am regulären Eingang einen Sinus mit 4 Vss ein und verfolgt das Signal durch alle Stufen, in der Erwartung, es müsse irgendwo abreißen oder asymmetrisch werden. Dem war nicht so.

Ich nehme an, daß mein Oszilloskop, mit dem ich das Singal verfolgte, jenes einfach nicht stark genug belastete, um es einbrechen zu lassen, denn normalerweise hätte sich der Effekt hier zeigen müssen.

 

So tauschte ich ein weiteres Mal die Eingags-FETs gegeneinander und natürlich tat sich nichts. Danach prüfte ich alle Kondensatoren nochmals auf ihre Werthaltigkeit und auch einige Widerstände, die an pikanten Punkten der Schaltung saßen. Alles Fehlanzeige.

Daß ich keinen exakt stimmenden Schaltplan zur Hand hatte, vereinfachte die Sache nicht wirklich. Dieses Gerät steht von seinem Innenleben irgendwo zwischen dem HM312-3 und dem 312-4, denn es beherbergt die XY-Platine des 312-3, die Z-Platine scheint aber eher aus dem 312-4 zu stammen. Außerdem ist der Y-Verstärker mit anderen Transistoren bestückt. Statt der BF224 fanden sich in allen Stufen BF311 (nicht, daß das einen Unterschied machen würde).

Auch die Teilerdioden und den Zweig für die DC-Symmetrie ersetzte ich probehalber durch neue Teile, doch ebenfalls ohne Erfolg.

Zu diesem Zeitpunkt war schon eine Woche intensiver Fehlersuche ins Land gegangen.

Da mir nun die Ideen ausgegangen waren, begann ich, den Signalweg durch das paarige Auslöten der beiden Transistoren einer jeden Stufe von hinten nach vorne nachzuverfolgen. Dabei sollte sich so lange eine gut ausgemittelte Linie zeigen, bis ich hinter der Stufe mit dem Defekt angekommen wäre.

 

Auf diesen Einfall hätte ich auch früher kommen können: Als die Transistoren der vorletzten Vorstufe draußen waren, hing der Strahl schon wieder ganz am Rand - Bingo! Also war mein Fehler in der letzten Vorstufe zu finden.

So lötete ich die Transistoren der vorletzten Stufe wieder ein und die der letzten Stufe ein weiteres Mal aus und hängte sie noch einmal solo an den Komponententester. Tatsächlich zeigte die EC-Strecke des einen aus dem auffälligen Zweig ein etwas abweichendes Testbild, womit mal wieder die von vielen Leuten propagierte Meinung, ein Transistor könne nur komplett funktionieren oder komplett defekt sein (Kurzschluß, Unterbrechung), widerlegt wäre. Dieser Transistor hatte eindeutig eine Macke, die man leicht übersehen konnte und er hatte die Verstärkung auch nicht komplett eingestellt. Interessanterweise wiesen die BC- und BE-Strecken einzeln ein lupenreines Dioden-Kennbild auf, wie es auch sein soll... Dieser Transistor wandert jedenfalls in meine Sammlung ätzender Fehler.

So sieht das Testbild eines funktionsfähigen BF311 aus...
So sieht das Testbild eines funktionsfähigen BF311 aus...
...und so das von meinem Exemplar. Irgendwie lässt der Gute die Ohren hängen. Gibt es Viagra auch für Halbleiter? *hüstel*
...und so das von meinem Exemplar. Irgendwie lässt der Gute die Ohren hängen. Gibt es Viagra auch für Halbleiter? *hüstel*

Zum Glück hatte ein Sammlerkollege noch passende Typen für beide Problemstellen auf Lager und ließ sie mir für einen symbolischen Betrag zukommen.

Ein paar Tage später also konnte ich die neuen Teile einlöten und wurde mit einem funktionierenden Oszilloskop belohnt. Wie schön doch so ein bisschen Wellenkino sein kann:

Vor Freude tanzen hier sogar schon die Elektronen!
Vor Freude tanzen hier sogar schon die Elektronen!

Ich bereinigte noch ein paar unschöne Lötstellen vom Rumprobieren und entfernte Flussmittelreste (das Auge isst ja mit) und begab mich zuletzt noch an den Abgleich laut Bedienungshandbuch.

Die Elektronenoptik benötigte ein wenig Liebe (die Astigmatismuseinstellung lag ziemlich daneben und auch die Plattenspannungen waren nicht mehr im Lot) und der Y-Verstärker wurde auch neu kalibriert, da durch den Tausch der Transistoren ein paar Parameter verschoben waren.

Einen wirklichen Wow-Effekt brachte der Nachgleich der Triggereinrichtung. Wo vorher Doppelbilder gezeichnet wurden und kaum ein stehendes Bild einstellbar war, fing das Oszi das Signal nach den Arbeiten wie von selbst ein. Es scheint so, als hätte an dieser Einstellung schon einmal jemand herumgespielt (der Haupttrimmer dafür ist von der Frontplatte aus zugänglich).

Auch der Strahlstrom der Bildröhre und die X-Strahlbreite mussten ein wenig korrigiert werden.

Der Eingangsteiler, für dessen Abgleich ich mir extra einen Eichgenerator baute, hatte wiederum nahezu überhaupt keine Abweichungen.

Das Oszi in voller Pracht
Das Oszi in voller Pracht
Die beiden überführten Übeltäter. Der BF311 wird einen Platz in meinem Kuriositätenkabinett einnehmen.
Die beiden überführten Übeltäter. Der BF311 wird einen Platz in meinem Kuriositätenkabinett einnehmen.

Wie schon weiter oben erwähnt, ist dieses Gerät fast baugleich zu dem 312-3 und dem 312-4, nur die Halbleiterbestückung und ein paar winzige Schaltungsänderungen machen den Unterschied.

Auch ist die Bandbreite genau wie bei allen Geräten dieser Serien mit 10 MHz angegeben, daher weiß ich nicht genau, was an diesem Oszilloskop nun so besonders sein soll, daß es eine extra Typenbezeichnung verdient.

Da ich mal davon ausgehe, daß 312S für "Spezial" steht (vielleicht aber auch für Service), scheint es damit aber irgendetwas auf sich zu haben.

Auf der Rückseite des Gehäuses befindet sich ein ziemlich verwischter Stempel mit dem Posthorn darauf und der Zeile "Veräußert 2396", darüber hinaus ein Wartungsaufkleber, der bis 1983 datiert. Die Platine im Inneren ist mit "312-3 7.69" bezeichnet, was passend zur Baureihe das Entwicklungsjahr der Schaltung mit 1969 angeben dürfte. Etwas verdächtig ist auch, daß auf der Vorderseite das "S" in der Typenbezeichnung irgendwie angeflickt aussieht (s. oben).

Meine Theorie hierzu ist, daß Hameg seinerzeit ein 312-3 leicht modifizierte und es als 312S deklarierte, das dann als Sonderserie für die Deutsche Post (vermutlich für die Telefontechniker) herausgegeben wurde und nicht frei verkäuflich war, denn rm.org hatte das Gerät nicht gelistet und man findet keinerlei Unterlagen dazu.

Welchem speziellen Zweck es dort einmal gedient haben mag, kann ich allerdings nicht mehr nachvollziehen.

Offenbar kam es dann nach der Ausmusterung (1996?) in Privatbesitz (vielleicht sogar wegen des beschriebenen Fehlerbildes, nachdem ein Azubi den Y-Verstärker gegrillt hatte) und so über Umwege zu mir. Jedenfalls kann es nicht viel gelaufen sein, denn es enthielt weder größere Mengen an Staub, noch waren thermische Verfärbungen an den Platinen zu erkennen und auch die Bildröhre war so hell, als wäre sie gerade aus der Verpackung gekommen.