Nordmende Transita de Luxe

Steckbrief

Modell: Nordmende Transita de Luxe Z030 (Ch = 2/603)

Baujahr: 1962/63

Transistoren: 2x OC615, 3x AF105, OC71, 2x OC74, OC75

Dioden: OA160, 2x OA172

Kreise: 7 AM, 11 FM

Reparaturbeginn: 28.02.22

Fertigstellung: 05.03.22

Bänder: LW, MW, UKW

Gehäuse: Holz mit Kunstlederüberzug

Antennen: Teleskopantenne, Ferritantenne, (Buchse für Kfz-Antenne)

Abstimmung: AM: kapazitiv

                           FM: induktiv

Speisung: 2x 4,5V-Flachbatterie

Klangregister: Klangtaste

Link zu rm.org: NM Transita de Luxe

Reparaturbericht

"Ihhh, da ist ein Transistor in meinem Radio!"

Ich gebe zu, Halbleiter sind nicht meine Welt... Dieses Radio bekam ich im Zuge eines Konvolutes an Kleinteilen von einem Funkamateur, der seine Sammlung auflöste.

Umgehend zeigte ein Bekannter, der mir den Kontakt vermittelt hatte, Interesse an dem Gerät. Da weder die Technik, noch das Design in mein Beuteschema fielen, kamen wir überein, daß ich es für ihn fertig machen sollte.

Laut Aussage des Vorbesitzers wäre es defekt und durch ihn bisher auch nicht zu reparieren gewesen.

Ein kurzer Blick ins Innere zeigte ein paar lose Kabel, äußerst unappetitliche Lötstellen und ansonsten das klassische Bild eines frühen Platinengerätes.

Nachdem Transistoren erst Ende der 50er breitentauglich wurden und man vorher zumindest im HF-Bereich mit den damals noch rauschärmeren Röhren arbeitete, handelt es sich hierbei um eines der ersten volltransistorisierten Kofferradios. Die vorherigen Geräte waren meist noch Hybride. Wie an der Halbleiterbestückung zu sehen, haben wir es hier mit einem reinen Germanen zu tun, Silizium war damals noch nicht in Mode. Tatsächlich ist es auch das bisher älteste Transistorgerät, an dem ich zu arbeiten hatte. Germanium trifft man ja häufiger an, aber Allglas-Transistoren sind dann doch schon irgendwie vorsintflutlich...

Zumindest äußerlich präsentierte es sich bis auf eine Schramme in recht gutem Zustand.  Die  UKW-Skala ist hier auch noch andersherum als später üblich angebracht, reicht aber schon bis 104 MHz, was damals eher unüblich und wohl für Reisen gedacht war
Zumindest äußerlich präsentierte es sich bis auf eine Schramme in recht gutem Zustand. Die UKW-Skala ist hier auch noch andersherum als später üblich angebracht, reicht aber schon bis 104 MHz, was damals eher unüblich und wohl für Reisen gedacht war
Ansicht von oben
Ansicht von oben
Das Innenleben im Fundzustand
Das Innenleben im Fundzustand

Um die sensiblen Germaniumtransistoren nicht zu gefährden, verzichtete ich auf eine Inbetriebnahme vor dem Austausch der alten Elkos und Roederstein-Kondensatoren. Ich wollte mir ohnehin zunächst einen Eindruck davon verschaffen, was schon alles verbrutzelt worden war.

Zu diesem Zweck musste ich zunächst das Chassis, wenn man es als solches bezeichnen will, vom Gehäuse trennen. Das geht in diesem Falle erfreulich einfach mit drei M3-Muttern und einer Holzschraube - man kann die Technik dann in einem Stück entnehmen, nur das Skalenglas bleibt zurück.

Chassis von vorne. Der verklammerte Kasten ist der UKW-Tuner, auf der schwarzen Pappe sind Abgleichpunkte markiert
Chassis von vorne. Der verklammerte Kasten ist der UKW-Tuner, auf der schwarzen Pappe sind Abgleichpunkte markiert
Ausgebaute Innereien von hinten
Ausgebaute Innereien von hinten

Um an die Bestückungsseite der Hauptplatine heranzukommen, ist es unerlässlich, diese vom Rest des Gerätes zu trennen. Dies erwies sich als weniger schlimm als vermutet. Wenn man im Vorfeld genügend Bilder der Verkabelung aufnimmt, lassen sich die rund 20 Lötstellen gut lösen und nachher wieder richtig zuordnen. Die Platine kann dann einzeln behandelt werden.

Chassis ohne Hauptplatine
Chassis ohne Hauptplatine
Hauptplatine von der Bestückungsseite
Hauptplatine von der Bestückungsseite

Nachdem die Platine mit neuen Kondensatoren populiert war und ich auch rund um den Tastensatz und auf der kleinen Platine auf der Oberseite aufgeräumt hatte, verifzierte ich sicherheitshalber die Verkabelung und baute alles wieder zusammen, wobei ich ein paar besonders scheußliche Lötpunkte aufhübschte.

Beim anschließenden Test zeigte sich eine Stromaufnahme von 36 mA. Soweit schien also alles im grünen Bereich. Allerdings vernahm ich auch bei voll aufgedrehtem LS-Regler nur ein dezentes Rauschen auf UKW, woraus ich vorläufig schloß, dass zumindest der Oszillator schon einmal arbeitete. Ein Empfang war nicht einmal zu erhalten, als ich mit dem Messsender direkt auf die Antennenbuchse ging.

Zuerst nahm ich an, dass im ZF-Verstärker etwas faul wäre, denn die Demodulation schien noch zu funktionieren. Einen Defekt der NF-Stufe schloß ich per Brummprobe aus.

 

Um auch den ZF-Verstärker für die Fehlersuche ausschließen zu können, probierte ich die Einspeisung von

10,7 MHz direkt hinter dem Mischer. Ganz leise hörte ich aus dem Lautsprecher das Pfeifen des Prüfsenders.

Das war zu wenig. Schnell machte ich nach Gehör einen flüchtigen ZF-Abgleich, wodurch sich eine Signalstärke erzielen ließ, die schon eher im Erwartungsbereich war. Wer immer die ZF-Filter verkurbelt hat, hat es gründlich getan.

Entgegen meiner Hoffnung war jedoch immer noch kein UKW-Empfang möglich. Der taube ZF-Verstärker war also nicht das ursächliche Problem gewesen.

 

Vom Antenneneingang hatte irgendwer einen 10 pF-Kondensator nach Masse gelötet, der laut Schaltbild nicht dorthin gehörte und auch ziemlich fertig aussah. Ich warf ihn raus. Keine Besserung.

 

Da der UKW-Tuner bei diesem Gerät freundlicherweise nur mittels zweier Metallbügel verschlossen ist, war er leicht zu öffnen und so wagte ich einen Blick ins Innere. Sofort fiel auf, daß statt der OC615, die ich erwartet hatte, ein AF106 und ein AF125 eingebaut waren. Aha, auch hier war also herumgefummelt worden. Das konnte ja heiter werden.

Der geöffnete UKW-Tuner mit Variometer
Der geöffnete UKW-Tuner mit Variometer

Auch wenn ich bezweifelte, dass an den OC615 etwas defekt gewesen war, so waren die Typen wenigstens ein adäquater Ersatz und prinzipiell mit Augenmaß ausgewählt.

Da der Tuner mit diesen Transistoren grundlegend hätte funktionieren müssen, begab ich mich mit dem Signalverfolger auf die Fehlersuche.

Eigentlich ist die hiesige Schaltung wunderbar für Einsteiger geeignet, weil sie keinen Schnickschnack enthält und ebenso simpel wie wirkungsvoll ist:

Schaltplanausschnitt des Tuners (Quelle: https://www.radiomuseum.org/schemaviewer/d_nordmende_transitadelux_sch1a.pdf (letzter Aufruf am 11.03.22))
Schaltplanausschnitt des Tuners (Quelle: https://www.radiomuseum.org/schemaviewer/d_nordmende_transitadelux_sch1a.pdf (letzter Aufruf am 11.03.22))

Das Antennensignal kommt vom linken Anschluss und wird über L56/L57 induktiv eingekoppelt.

Ich gab wieder mein moduliertes HF-Signal auf den Anschluss und stellte fest, daß es nicht anzumessen war.

Der Fehler war schnell gefunden und bestand in einer verbrutzelten Löststelle, die den Antennenanschluß gegen das Tunergehäuse kurzschloß. Die Leiterplatte ist hier extrem nah am Blech angebracht. Schnell war das Malheur beseitigt und ich konnte mein Signal an L56 nachweisen.

Nach den Gesetzen der Logik hätte das Signal also auch an L57 messbar sein müssen, wenn die Schaltung korrekt arbeitet. Fehlanzeige. So eine schnelle Fehlersuche hatte ich selten.

Offenbar verschwand das Signal also schon im HF-Verstärker - ein hochinteressantes Fehlerbild.

Ich kontrollierte gewohnheitsmäßig zuerst die Spannungen am Transistor und stellte fest, daß sie alle bei etwa

2 V herumdümpelten, womit es kein Wunder war, daß das Signal flöten ging.

Zuerst nahm ich an, der Transistor hätte einen Kurzschluß, oder zumindest einen partiellen Defekt, denn wenn ich ihn auslötete, gingen die Betriebsspannungen auf die Normalwerte zurück.

Am Komponententester erzeugte der AF106 im ausgelöteten Zustand allerdings ein plausibles Bild, das keinen so schwerwiegenden Defekt hätte erklären können.

Ich ging am Abend etwas ratlos ins Bett und überschlief die Sache, was oft auf bemerkenswerte Weise dazu führt, daß man statt lauter Bäumen den Wald wieder sieht, so auch in diesem Falle.

 

Bei diesen TO-72-Gehäusen muss man immer sehr aufpassen, die Anschlüsse nicht zu verwechseln. Mir selbst wäre das schon ein paarmal fast passiert und ich kontrolliere es nach dem Einbau solcher Halbleiter stets mehrfach. Bei all den unschönen Eingriffen in das Gerät und der mangelnden Sorgfalt, die diese erahnen ließen, wäre ein verkehrter Anschluß also denkbar.

Am nächsten Morgen nahm ich das Datenblatt der Transistors zur Hand und sah nach; tatsächlich!

Da ich keinen Vergleichstyp dahatte, hoffte ich einfach, daß der empfindliche Germane die Verpolung überstanden haben mochte und baute ihn probehalber in der richtigen Konstellation ein und siehe da: Ich empfing schwach und verrauscht den ein oder anderen Sender!

Eine Kontrolle der Betriebsspannungen des Transistors bestätigte es: Jetzt passte alles - er war also vorher einfach nur verpolt eingelötet gewesen!

 

Ich versäuberte noch die Lötstellen und verschloß den Tuner wieder.

Was an dem Gerät auffiel, waren leichte Kontaktprobleme im Tastensatz. Wenn man die UKW-Taste nachdrückte, knackte und kratzte es. Ich unternahm tatsächlich den Versuch, den Tastensatz zu öffnen und wenn ich ihn komplett ausgebaut hätte, wäre das auch möglich gewesen, aber die Mühe stand in keinem Verhältnis zum Fehlerbild. So ließ ich es dabei.

 

Blieb also nur mehr der Abgleich, den das Gerät dringend nötig hatte.

Mit den bei rm.org hinterlegten Unterlagen lässt sich hier wunderbar einfach ein Abgleich machen, bei dem es nichts besonderes zu beachten gibt und der für Anfänger ein ganz hervorragender Einstieg ist.

Die Filterkerne sind nicht mit irgendeinem Wachs versiegelt, sondern nur mit Gummischnüren gesichert und die Filter alle hervorragend zugänglich. Die Abgleichanweisung führt einen sicher von Schritt zu Schritt.

 

Zunächst war der Ruhestrom der Enstufe einzustellen. Befriedigt stellte ich fest, daß er sich mit dem betreffenden Poti problemlos von 36 auf die vorgeschriebenen 4 mA reduzieren ließ und die Endstufe bei voller Aussteuerung rund 60 mA zog, was den Angaben im Datenblatt entsprach. Auch an diesem Poti hatte also jemand herumgewurstet - wer hätte auch etwas anderes erwartet...

Der ZF-Abgleich erforderte noch keine fünf Minuten und es ließen sich schöne Maxima finden. Bemerkenswert war auch der Effekt der AM-Unterdrückung. Mit ihr ließ sich wirklich noch einmal eine wundervolle Ruhe zwischen den einzelnen Stationen einstellen.

Das einzige, was ich vermisste, war die Aufblaskappe für den ZF-Abgleich. Die Einkopplung über ein Stück Draht, das man einfach isoliert in den Tuner steckt, lässt etwas zu wünschen übrig. Na ja, Transistoren sind eben keine Röhren.

 

Problematischer war der HF-Abgleich. Dieser besteht hier eigentlich nur aus zwei Kondensatoren für das untere und obere Bandende (freundlicherweise sind diese sogar auf der Pappe hinter der Skala markiert, sodaß das Skalenglas im Gehäuse verbleiben kann).

Beide Kondensatoren sprachen sehr schön an, allerdings gelang es mir nicht, auf die richtige Frequenz abzugleichen. Ich vermute stark, daß die neuen Transistoren eine geringere Kapazität aufweisen als die OC615, die mit der Germaniumscheibe und der aufgesinterten Iridiumpille kleine Kondensatoren sind, sodaß die Frequenzen alle nach oben verschoben waren.

Da ich keine Lust hatte, an der Schaltung herumzupfuschen, glich ich einfach auf drei MHz höher ab. Das Gerät empfängt nun also von 91-107 MHz, womit es noch im aktuellen UKW-Band liegt. Der Wegfall des Saarländischen Rundfunks am Bandanfang betrachtete ich nicht als Verlust.

Als ich die vordere Gehäusehälfte wieder mit dem Chassis bestückte, komplettierte ich es noch mit zwei Kabeln für die Antenne, die irgendwer einfach abgeknipst hatte.

Diese sitzt in der hinteren Gehäusehälfte und bekommt ihren Kontakt über eine seitliche Metallklammer, die beim Verschließen des Gerätes automatisch einrastet.

Diese Klammer war hier sehr locker und klapperte herum. Mit ein paar beherzten Hammerschlägen versah ich die Vernietung wieder mit etwas mehr Spannkraft.

Ein letztes Problem, sowohl funktionaler als auch optischer Natur war die Antenne:

Die Antenne war wohl wie üblich abgebrochen und eine neue in den alten Schaft gelötet. Das funktionierte und war auch optisch soweit in Ordnung.
Die Antenne war wohl wie üblich abgebrochen und eine neue in den alten Schaft gelötet. Das funktionierte und war auch optisch soweit in Ordnung.
Weniger delikat war die elektrische Kontaktierung...
Weniger delikat war die elektrische Kontaktierung...

Solch verbratene Lötstellen sieht man sonst nur an Massepunkten. Das kommt dabei heraus, wenn man mit einem Spielzeuglötkolben zu geringer Leistung versucht, an großen Metallflächen zu löten. Zu allem Überfluß scheint hier auch noch Fittings-Lötpaste im Einsatz gewesen zu sein, denn das Umfeld des Klumpens war korrodiert. Die Brandflecken im Holz wiesen auch darauf hin, daß man sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die eine Schraube zu lösen, um die Antenne abnehmen zu können.

Ich nahm meinen dicksten Lötkolben zur Hand und befreite die Antenne zunächst von diesem Schandmal, so gut es eben ging. Dann schmirgelte ich alle Metallteile sauber und verlötete sie neu, diesmal etwas hübscher. Anschließend gab es noch einen kleinen Kupferdraht zur Metallklammer an der Seite, die den Kontakt zum Chassis herstellt.

Bereinigte Löststelle
Bereinigte Löststelle

Damit war das Radio fertig. Ich polierte das Kunstleder noch etwas auf, das wirklich noch in gutem Zustand war und übergab es seinem neuen Besitzer.

Es stellte sich noch heraus, daß das Batteriefach einfach lose im Gehäuse herumflog und wunderbare Möglichkeiten des Kurzschlusses bot. Auf Bildern war zu erkennen, daß dem früher mit einer dicken Pappe abgeholfen wurde, die hier fehlte.

Ich entschloß mich für ein Stück Filz, das die gleiche Aufgabe erfüllt.

 

An sich hätte das eine sehr schnelle und einfache Reparatur werden können, wenn das Radio nicht so verbastelt gewesen wäre. In Anbetracht der Kosten/Nutzen-Betrachtung war das das beste, was herauszuholen war.

Es ist bei weitem nicht so schön wie Röhrentechnik, aber von allen Transistorprojekten noch eines der angenehmsten, da es eine sehr frühe Schaltung ist, die von der Denkstruktur noch sehr an den Röhrengeräten orientiert ist.

Positiv fiel auch auf, daß die Leiterbahnen hier nicht so extrem zum Ablösen neigen, wie man das normalerweise von diesen frühen Leiterplatten gewohnt ist. Das habe ich vor allem in Jukeboxen schon deutlich schlimmer erlebt.

 

Auch hier gilt wieder: Die Arbeit hat sich in jedem Falle gelohnt, da das Gerät wieder für die nächsten Jahrzehnte gewappnet ist und hoffentlich noch lange gute Dienste tun wird. Außerdem hat der Besitzer noch Freude daran, was nicht der Fall wäre, wenn es defekt im Keller läge oder in den Recyclingkreislauf eingegangen wäre.

Nach dem sachgerechten Abgleich weist es sogar eine bemerkenswerte Empfangsleistung auf UKW auf.