Grundig Stereomeister 15

Steckbrief

Modell: Grundig Stereomeister 15 (mit Stereodecoder IV)

Baujahr: 1964/65

Röhren: ECC85, ECH81, EAF801, 2 x ECC808, 2 x ECLL800, EM87

Kreise: 6 AM, 11 FM

Anlieferung: 10.06.23

Fertigstellung: 18.10.23

Bänder: LW, MW, KW, UKW

Gehäuse: Holz

Antennen: Gehäuse-Dipol, drehbare Ferritantenne

Abstimmung: AM: kapazitiv

                           FM: kapazitiv

Klangregister: Bass/Diskant (Taste), Bassregler, Höhenregler, Hallregler, Balanceregler ("Stereodirigient")

Link zu rm.org: Grundig Stereomeister 15 (für besser aufgelösten Schaltplan: Stereomeister 15 H poliert)

                             mit Stereodecoder IV

 

Reparaturbericht

Blut in den Flüssen, Heuschrecken, Grundig. Oder so ähnlich. Ob die Modelle dieses Herstellers nun die achte biblische Plage verkörpern oder eher die Schlacht zu Harmageddon, darf wohl gesondert diskutiert werden. Fest steht hingegen, daß sich der übliche Reparaturgenuß bei einem Röhrengerät hier in äußerst engen Grenzen bewegt. Nichts anderes hatte ich allerdings nach der Kampfrestauration des 2140 bereits erwartet. In meinem nächsten Leben muß ich mal lernen, Nein zu sagen...

 

Das hiesige Schlachtschiff gehört dem Großvater einer Freundin von mir und ist das erste Röhrenradio auf meinem Tisch, das Stereoempfang bietet. Ob man das nun als Vorteil wertet, bleibt jedem selbst überlassen.

 

Auf meiner Werkbank landete es, weil sich der UKW-Seilzug nicht mehr bewegte. Mir schwante bereits Übles in Hinsicht auf ein gerissenes Skalenseil oder eine defekte Duplexkupplung. Wie üblich nahm das Gerät erst mal rund drei Monate in meinem Durchgangslager Platz, da ich zwischenzeitlich noch andere Projekte hatte.

Als ich einen Blick ins Gehäuse warf, war ich schon einmal erleichtert, daß zumindest der Seilzug noch intakt zu sein schien. Also war die Duplexkupplung im Eimer, oh Wunder.

 

Bevor ich mich mit solchen Sachen belastete, war allerdings zunächst zu prüfen, ob die kostspieligen, bzw. sehr schwer zu besorgenden Teile des Gerätes noch in Ordnung waren, denn sonst hätte ich mit der Arbeit gar nicht anzufangen brauchen. In diesem Falle sind das nicht nur der Netztrafo und die beiden Ausgangsübertrager, sondern auch die extravaganten NF-Röhren ECC808 und ECLL800, wobei ich davon sogar noch einen kompletten Satz auf Lager gehabt hätte. Vor allem die ECLL800, bei denen man eine gesamte Gegentaktendstufe mit Phasenwender in einen Glaskolben stopfte, neigen oft zur Gitteremission.

Die Koppelkondensatoren waren noch in Ordnung, einen Trafokiller gab es nicht und der Becherelko machte messtechnisch auch noch einen soliden Eindruck. So nahm ich das Gerät an den Stelltrafo und entlockte ihm erste Töne. Soweit schien alles in Ordnung, wobei die EM87 recht schlapp war.

 

Nachdem ich das Chassis aus dem Gehäuse gezogen hatte, stand wie üblich zunächst eine Reinigung an. Das Gerät war durchschnittlich verstaubt, aber in keiner Weise verklebt oder ähnliches und offenbar unberührt. Schon mal ein Pluspunkt.

Das Radio im Fundzustand
Das Radio im Fundzustand

Nachdem das Radio von innen so sauber war, daß man daran arbeiten konnte, widmete ich mich zuerst der Duplexkupplung, ohne die ein vernünftiger Probelauf auf UKW schwierig geworden wäre.

Entgegen meiner ersten Annahme, daß die Beläge verhärtet wären, war sie einfach nur falsch eingestellt. Worauf das beruhte ist mir ein Rätsel, aber eine kurze Korrektur machte eine saubere Umschaltung wieder möglich.

Die Duplexkupplung in diesem Gerät. Nach Lösen der beiden langen Schrauben lässt sich die Position der Reibscheibe auf der Achse einstellen.
Die Duplexkupplung in diesem Gerät. Nach Lösen der beiden langen Schrauben lässt sich die Position der Reibscheibe auf der Achse einstellen.

Nachdem dieses Problem also erheblich einfacher gelöst war, als ich befürchtet hatte, fiel mir allerdings noch auf, daß die UKW-Taste nicht in die Ausganslage zurücksprang. Wie bei vielen Geräten ist die AM/FM-Umschaltung auch hier auf zwei Schaltschieber verteilt, die über eine Wippe gekoppelt sind. Ich schmierte alle beweglichen Teile ab, aber es stellte sich zunächst keine Besserung ein. Als ich jedoch am nächsten Tag die Werkbank aufsuchte, klappte alles. Anscheinend war das Öl über Nacht an die richtigen Stellen gekrochen. Man muss auch lernen, Geschenke anzunehmen.

 

Es folgte der unvermeidbare Wechsel aller Kleinelkos, nachdem der Becherelko noch gute Messwerte gezeigt hatte. Dieser Prozess nahm fast eine ganze Woche ein, da die Anschlussbeine in üblicher Grundig-Manier mal wieder um die Lötösen gewickelt waren und das Gerät allgemein sehr verbaut ist. Allein das ist schon Grund genug, keine Grundig-Geräte anzunehmen.

Das Hauptverdrahtungsfeld unter der NF-Stufe
Das Hauptverdrahtungsfeld unter der NF-Stufe

Als ich das Radio im Anschluss ausprobierte, fielen zwei Sachen auf: Der linke Kanal war vollkommen stumm und ab und zu hörte man ein Knacken im rechten Lautsprecher und ein Pitschen wie von einem Überschlag unter dem Chassis. Beides war zuvor kein Problem...

Mein erster Verdacht fiel auf einen Verdrahtungsfehler oder eine leitend gewordene Pertinaxleiste. Beides käme nicht zum ersten Mal vor. Natürlich waren auch die Pertinaxfassungen der Röhren nicht aus dem Schneider.

Kurioserweise waren die Betriebsspannungen aber sämtlich unauffällig, sodaß mir nichts anderes übrigblieb, als das Knacksen, das zum Glück wenigstens regelmäßig auftrat, abzuwarten und im abgedunkelten Raum nach sichtbaren Überschlägen Ausschau zu halten. Damit wurde ich allerdings nicht belohnt.

Nach zwei Tagen lustloser Sucherei fiel mein Blick mehr durch Zufall auf einen der am besten verborgenen Elkos und ich musste feststellen, daß er stark aufgebläht war. Ich war verdutzt, da es sich aus Ermangelung anderer Elkos in der Größenordnung um ein bipolares Expemplar handelte, den ich nicht verpolen konnte.

Nach dem Auslöten und dem Vergleich mit dem Altteil war der Fehler klar: Ich hatte doch tatsächlich die Spannungsfestigkeit zu niedrig gewählt. Was für ein Anfängerfehler! Im Eifer des Gefechts hatte ich es übersehen. Na ja, sowas kommt in den besten Familien vor. Ich tauschte den Elko aus und das Knacksen war weg.

Elektrisches Popcorn...
Elektrisches Popcorn...

So, einer aus zwei. Der recht Kanal muckste sich immer noch nicht. Noch einmal prüfte ich alle Spannungen, tauschte die beiden Endstufenröhren gegeneinander und so weiter.

Nach Ausschöpfung aller einfacher Fehlersuchmethoden kam ich nicht umhin, den Signalweg zu oszilloskopieren. Das schöne an Stereogeräten ist, daß man immer den zweiten Kanal als Referenz hat. Schnell hatte ich auch die Stelle gefunden, an der das Signal abstarb, nicht aber den Grund dafür. Auch nach eingehenden Prüfungen schienen alle Bauteile im Umkreis des Punktes völlig in Ordnung. Auch Herumstochern mit einem Schaschlikspieß brachte nichts. Allerdings fiel mir irgendwann auf, dass das Singal urplötzlich auftauchte, sobald ich den Tastkopf des Oszis an eine der Lötösen anlegte, allerdings nur an der einen Seite dieser Öse. Misteriös, aber erklärbar. Mein erster Verdacht war eine Kaltlöststelle, aber es stellte sich heraus, daß die Lösung anders aussah: Unter der besagten Lötöse war einer der von mir getauschten Elkos zu liegen gekommen, der eine Ummantelung aus blauem Kunststoff hatte. Irgendwie hatte sich die Lötöse in den beengten Platzverhältnissen durch diese Ummantelung gerieben und so das Tonsignal zwischen NF-Vor- und Endstufe gegen Masse kurzgeschlossen. Ich bog den Elko drei Millimeter zur Seite und das Problem war beseitigt.

Beim Anlegen des Tastkopfes an die eine Seite der zweiohrigen Lötösen verwand sich diese gerade so weit, daß der Kontakt unterbrochen wurde...

Einer der blauen Elkos hatte gegen die darüberliegende Löststelle einen Kurzschluss.
Einer der blauen Elkos hatte gegen die darüberliegende Löststelle einen Kurzschluss.

So, nachdem nun vorläufig ein dauerbetriebsfähiger Zustand hergestellt war, hatte ich einen Ausgangspunkt, um alles bei längerem Betrieb zu prüfen. Den Netzspannungswähler stellte ich auf 240 V, was eine ganz gute Heizspannung von 6,2 V ergab. Die Anodenspannung war eigentlich ganz in Ordnung, allerdings wurde der Gleichrichter trotz Stromentnahme laut Schaltplan sehr warm. So flog das Selen raus und machte Siliziumdioden Platz.

Der Gleichrichter kann durch Entfernen des Elkos freigelegt werden.
Der Gleichrichter kann durch Entfernen des Elkos freigelegt werden.
Die neue Graetz-Brücke hat reichlich Platz im alten Gehäuse
Die neue Graetz-Brücke hat reichlich Platz im alten Gehäuse
Neu befüllter Gleichrichter an alter Stelle
Neu befüllter Gleichrichter an alter Stelle

Da nun die Anodenspannung für meinen Geschmack wieder etwas zu hoch war, bremste ich sie mit einem Zementbunker entsprechend ein. In diesem Fall stellten 100 Ω den im Schaltplan geforderten Wert wieder ein.

Ich nutzte ein bereits vorhandenes Loch, um eine Lötöse für den Widerstand zu platzieren, sodaß er sich bei Bedarf jederzeit ohne bleibende Schäden entfernen lässt und gut belüftet ist.

Widerstand an der neuen Lötöse
Widerstand an der neuen Lötöse

Auch wenn der Stereodecoder erfreulicherweise noch funktionierte, wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auch dort einmal einen Blick hineinzuwerfen.

Es handelt sich hier um den Stereodecoder IV mit automatischer Kanaltrennung. Um fair zu bleiben muss ich sagen, daß ich von der Schaltungstechnik beeindruckt bin. Mit einer einzigen Röhre und einem Transistor eine Schaltung zu bauen, die automatisch ein Stereosignal erkennt, den Signalweg auf Stereo umschaltet und alles korrekt demoduliert, ist in meinen Augen schon ein technischer Kunstgriff.

Eine erschöpfende Schaltungsbeschreibung, an deren Lektüre man sich wirklich erbauen kann, findet sich bei den Unterlagen im rm.org.

Ich tauschte auch hier alle Elkos und reinigte die Potis, mit denen sich die Symmetrie des Demodulators und die Empfindlichkeit der Relaissteuerung einstellen lässt. Bei den Arbeiten fiel mir auf, dass die Masseverbindung zum Gehäuse wohl bei einem vorangegangenen, eher unprofessionellen Eingriff abgerissen war. Ich lötete sie wieder fest und war eigentlich schon fertig.

Der Stereodecoder mit ECC81 und aufgesattelter Umschaltplatine
Der Stereodecoder mit ECC81 und aufgesattelter Umschaltplatine
Das "Stereoauge" (einfach ein elektromagnetisches Schauzeichen) im Betrieb bei einem starken Stereosender
Das "Stereoauge" (einfach ein elektromagnetisches Schauzeichen) im Betrieb bei einem starken Stereosender

Es blieb noch ein optisches Problem: Eine der Skalenlampen war durchgebrannt. An sich kein großes Problem, aber statt der üblichen 7 V / 0,3 A -Lämpchen kommen hier 7 V / 0,1 A -Typen hinein. Solche hatte ich nicht am Lager. Da solche Lämpchen auf Dauer auch nicht einfacher zu bekommen sein werden, entschloß ich mich zu einer kleinen Modifikation, die mein Problem löste und bei Bedarf jederzeit revidiert werden kann: Ich schloß vor dem betreffenden Lämpchen einen Widerstand von 10 Ω an. Nun lassen sich nämlich überall erhältliche Taschenlampenbirnen 6 V / 0,1 A verwenden, die auch einen E10-Sockel haben und in der Helligkeit fast exakt passen.

So einfach ist das...
So einfach ist das...

Damit war die Reparatur auch quasi beendet. Im Gegensatz zu meinen sonstigen Radios ist das Gehäuse hier nicht nur ausgesprochen hässlich, sondern auch sehr spartanisch, was Verzierungen und ähnliches angeht. Außer einmal mit einem feuchten Lappen darüberzuwischen, tat ich genau nichts.

Da ich die Tasten nicht von den Schiebern ziehen wollte, reinigte ich sie mit einem feuchten Tuch, das ich dazwischen entlangzog. Der Schmutz war hier aber auch nur oberflächlich. Auch das magische Band zog ich heraus und wischte es einmal ab.

Nach der Reinigung der Skalenscheibe, die auch hier aus Plastik ist und dem Ersatz des zerbröselten Schaumstoffs an den Anlagepunkten durch Filz, konnte ich sie wieder montieren und das Chassis testweise ins Gehäuse stecken.

 

Es begann der übliche Probelauf, der weitgehend unspektakulär verlief. Es zeigte sich, daß ich die EM87 nicht korrekt vor dem Ausschnitt in der Skalenscheibe zentriert hatte und ab und zu fiel bei Stereobetrieb ein Kanal aus. Durch systematisches Abklopfen zeigte sich aber schnell, daß es sich nur um ein Kontaktproblem im Umschaltrelais des Stereodecoders handeln konnte.

So baute ich das Chassis noch einmal aus, korrigierte die Position der Röhre und reinigte die Kontakte des Relais mit dünnem Karton, den ich mit Waschbenzin getränkt hatte. Danach waren beide Probleme aus der Welt.

Das Radio im Probebetrieb.
Das Radio im Probebetrieb.

Nun ja. Ich kann wirklich nicht behaupten, daß es ein schönes Projekt war. Zumindest der Kondensatorentausch war die Hölle. Insgesamt blieben mir aber ein paar Sachen erspart, die noch hätten kommen können, wie z.B. die Überholung der Duplexkupplung.

Abschließend bleibt mein Urteil allerdings bestehen, daß man von allem, was Grundig heißt einfach die Finger lassen sollte, um ein glückliches Leben zu fristen.

Der Klang des Gerätes ist in Ordnung, im Vergleich zu anderen Großsupern allerdings eher mittelmäßig.